Aufklärungspflichten beim Immobilienkauf: Wann liegt eine arglistige Täuschung vor?

Rechtsanwalt für Immobilienrecht und Vertragsrecht, Frankfurt, Aufklärungspflicht

1. Wann haben Verkäufer eine Aufklärungspflicht?

Wenn sich nach dem Abschluss des Kaufvertrages Schäden oder Mängel an der Immobilie zeigen, kommt es zwischen Verkäufern und Käufern häufig zum Streit. Oft streiten sich die Vertragspartner hierbei darüber, ob der Verkäufer seine Aufklärungspflichten verletzt hat.

Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist der Verkäufer nicht dazu verpflichtet, den Käufer über jeden vorhandenen Mangel aufzuklären. Aufklärungspflichten bestehen nach der Rechtsprechung nur in zwei Fällen:

a) Fall 1: Aufklärungspflicht wegen einer konkreten Frage

Eine Aufklärungspflicht besteht jedenfalls immer dann, wenn der Käufer eine konkrete Frage gestellt hat. Der Verkäufer ist dann verpflichtet, die Frage vollständig und richtig zu beantworten. Der Verkäufer darf keine Angaben ins „Blaue hinein“ machen oder die Wahrheit bagatellisieren und herunterspielen.

» Beispiel 1: Der Käufer fragt, ob die Dachziegeln neu verlegt wurden. Der Verkäufer beantwortet dies mit „Ja“, obwohl lediglich eine Häflte des Daches neu gedeckt wurde. Der Verkäufer verletzt hier seine Aufklärungspflicht, da er die Frage nicht vollständig und richtig beantwortet hat.

» Beispiel 2: Der Käufer möchte wissen, ob in dem Haus Asbest enthalten ist. Der Verkäufer beantwortet dies mit einem klaren „Nein“, obwohl er hiervon keine genaue Kenntnis hat. Hier verletzt der Verkäufer seine Aufklärungspflicht, weil er die Frage unzulässig „ins Blaue“ hinein beantwortet.

Wichtig: Eine arglistige Täuschung liegt nur dann vor, wenn der Verkäufer die Fragen auch tatsächlich vorsätzlich falsch beantwortet. Geht er dagegen gutgläubig von der Richtigkeit seiner Angaben aus, kann eine arglisitige Täuschung nicht mehr vorliegen.

» Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.06.2019, Az. V ZR 73/18.

b) Fall 2: Aufklärungspflicht ohne Frage des Käufers

Aufklärungspflichten können auch ohne Nachfrage durch den Käufer bestehen. In diesen Fällen ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die jeweilige Tatsache ungefragt zu offenbaren. Voraussetzung ist natürlich, dass der Verkäufer die Tatsache auch wirklich kennt.

Aufklärungspflichten ohne konkrete Nachfrage sind allerdings eher selten. Ungefragt muss der Verkäufer nur über solche Tatsachen aufklären, die für den Kaufentschluss des Käufers erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach der Verkehrssitte erwartet werden kann. In der Regel ist dies nur bei Tatsachen der Fall, die der Käufer nicht kennt und auch nicht kennen kann.

Von der Rechtsprechung werden solche Aufklärungspflichten zum Beispiel in folgenden Fällen angenommen:

» Beispiel 1: Im Gebäude sind Asbest oder andere gesundheitsschädliche Stoffe verbaut. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2009, Az. V ZR 30/08)

» Beispiel 2: Das Gebäude wurde ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2003, Az. V ZR 100/02)

» Beispiel 3: Der Verkäufer hat eine vertraglich geschuldete Bodenuntersuchung nicht durchgeführt. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.03.2012, Az. VII ZR 116/10)

» Beispiel 4: Es besteht eine Mietpreisbindung bzw. Sozialbindung. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.09.2018, Az. V ZR 165/17 – Rechtsmangel -)

» Beispiel 5: Gefahr von Hochwasser und Überflutung. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.1991, Az. V ZR 193/90)

» Beispiel 6: Das Grundstück wurde in der Vergangenheit als „wilde“ Müllkippe benutzt. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.1991, Az. V ZR 121/90)

» Beispiel 7: Verdacht eines Schadens an tragenden Holzteilen. (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 21.06.2012, Az. 5 U 5/11)

» Beispiel 8: Verdacht eines Befalls mit Hausschwamm. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.02.2003, Az. V ZR 25/02). Dagegen soll ein fachgerecht beseitigter Befall mit Hausschbock nicht aufklärungspflichtig sein (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.2.2016, Az. V ZR 216/14)

» Beispiel 9: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 13.05.1988, Az. 4 U 101/87)

» Beispiel 10: Die bisherige Nutzung der Immobile ist „baurechtswidrig“, verstößt also gegen baurechtliche Vorschriften. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.06.1988, Az. V ZR 125/87)

» Beispiel 11: Schikanöses Verhalten eines Nachbarn in Form von massiven nächtlichen Ruhestörungen, übelsten Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen. (Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 20.10.2004, Az. 4 U 84/01)

» Beispiel 12: Mehrjähriges absichtliches Stören der Nachtruhe durch Nachbarn. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.1991, Az. V ZR 299/89)

» Beispiel 13: Starker Lärm durch eine angrenzende Tagesstätte. (Landgericht Coburg, Urteil vom 23.12.2014, Az. 23 O 358/13)

» Beispiel 14: Der Verkäufer einer vermieteten Immobilie weiß, dass sich der Mieter in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, auch wenn noch keine Mietrückstände bestehen. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 31. 1. 2003, Az. V ZR 389/01)

Ein arglistiges Verschweigen liegt auch dann vor, wenn der Verkäufer wider besseres Wissen stark verhamlosende Angaben über Mängel macht oder einzelne Informationen zurückhält.

» Beispiel 15: Hinweis auf eine feuchte Stelle bei in Wirklichkeit kompletter Durchfeuchtung der Außenwand. (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 09.06.2016, Az. 5 U 97/14)

2. Rechte des Käufers

a) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Der Verkäufer kann den Kaufvertrag anfechten, wenn der Verkäufer seine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt. In diesem Fall liegt nämlich eine arglistige Täuschung vor.

Durch eine wirksame Anfechtung wird der Vertrag aufgehoben und ungültig. Der Käufer kann daher den Kaufpreis zurückverlangen. Im Gegenzug ist der Käufer dazu verpflichtet, die Immobilie (Grundstück, Haus, Wohnung) an den Verkäufer zurückzugeben und die Auflassung zu erklären.

Wichtig: Der Käufer trägt die Beweislast dafür, dass der Verkäufer seine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hat! Wenn er dies nicht beweisen kann, geht die Anfechtung ins Leere!

» Für den Beweis sind oft Indizien entscheidend. (Beispiel: Der Verkäufer hat eine mit Schimmel befallene Wand kurz vor der Hausbesichtigung frisch überstrichen. Hier wird das Gericht einen Vorsatz annehmen, wenn der Verkäufer auf den Schimmel nicht hingewiesen hat.)

» Tipp: Zur Vermeidung von Beweisproblemen sollte der Käufer zu Vertragsgesprächen immer einen Zeugen hinzuziehen. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Verkäufer.

b) Gewährleistung

Falls der Käufer die arglistige Täuschung beweisen kann, stehen ihm darüber hinaus auch die üblichen Gewährleistungsrechte zu. Bei einer arglistigen Täuschung kann sich der Verkäufer nämlich niemals auf einen Ausschluss der Gewährleistung berufen (§ 444 BGB). Der im Immobilienrecht typische Gewährleistungsausschluss ist hier ohne Bedeutung.

In diesem Fall kann der Käufer deshalb folgende Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend machen:

» Beseitigung der Mängel: Hier geht es in aller Regel um die Durchführung von Reparaturen.

» Minderung des Kaufpreises: Wenn der volle Kaufpreis bereits gezahlt wurde, hat der Käufer einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Betrages.

» Rücktritt vom Kaufvertrag: Der Rücktritt setzt einen nicht unerheblichen Sachmangel voraus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass dem Verkäufer vor dem Rücktritt eine Frist zur Beseitigung der Mängel gesetzt wurde. Nur in Ausnahmefällen ist die Fristsetzung entbehrlich. Aus Beweisgründen sollte jedoch immer eine Frist gesetzt werden!

» Schadensersatz: Der Anspruch auf Schadensersatz setzt voraus, dass dem Käufer ein nachweisbarer Schaden entstanden ist. Erforderlich ist weiterhin auch ein Verschulden des Verkäufers, was bei einer arglistigen Täuschung aber immer gegeben ist.

Wichtig: Bei mehreren Verkäufern (z.B. Eheleute, Erbengemeinschaft) genügt bereits, dass nur einer der Verkäufer die Täuschung verübt. Dies hat automatisch zur Folge. dass sich auch die anderen Verkäufer nicht auf einen Haftungsausschluss berufen können.

» Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04. 2016, Az. V ZR 150/15.

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Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die günstige Anbindung an Autobahnen, den Schienenverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten. Das Immobilienrecht und das Gewährleistungsrecht gehören dabei zu den wichtigsten Rechtsgebieten.

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Christian D. Franz, Rechtsanwalt