Die 10 wichtigsten Fragen zum Lieferverzug:
Ein Leitfaden für Käufer beim Neuwagenkauf
Themen: Verspätete Lieferung | Verzug | Rücktritt vom Neuwagenkauf | Verzugsschaden & Entschädigung

Lieferverzug im Neuwagengeschäft
Kernpunkte auf einen Blick
Lieferzeiten können verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden.
Bei Überschreiten der verbindlichen Lieferzeit gerät der Händler automatisch in Verzug.
Kein automatischer Verzug bei unverbindlicher Lieferzeit. Erforderlich sind der Ablauf einer Schonfrist und eine anschließende Mahnung.
Ein Rücktritt wegen Lieferverzuges setzt meist voraus, dass dem Händler eine angemessene Frist gesetzt wurde.
Als Verzugsschäden gelten etwa Mietwagenkosten, finanzieller Aufwand oder entgangener Gewinn.
Schadensersatz: Die verwendeten AGB enthalten wichtige Obergrenzen und Einschränkungen bei der Haftung des Händlers.
Inhaltsverzeichnis (bitte anklicken)
Übersicht
1. Was sind die Neuwagen-Verkaufsbedingungen (NWVB)?
2. Unverbindliche oder verbindliche Lieferfrist: Wann wird was vereinbart?
3. Unverbindlicher Liefertermin: Wann treten Fälligkeit und Verzug ein?
4. Verbindlicher Liefertermin: Wann tritt Verzug ein?
5. Wann kann bei Lieferverzug ein Rücktritt erfolgen?
6. Wann ist eine Fristsetzung für den Rücktritt entbehrlich?
7. Rücktritt bei höherer Gewalt und Betriebsstörungen?
8. Verzugsschaden: Schuldet der Händler Schadensersatz?
9. Verzugsschaden: Welche Schäden sind zu ersetzen?
Einleitung
Der Kauf eines Neufahrzeugs ist für viele Verbraucher und Unternehmen eine bedeutende Investition. Neben dem aufzubringenden Kapital erfordert auch die Auswahl des passenden Modells und der gewünschten Ausstattung oftmals erhebliche Zeit und Aufmerksamkeit. Umso wichtiger ist daher die rechtzeitige Lieferung des Fahrzeugs.
Wird das gekaufte Fahrzeug nicht rechtzeitig bereitgestellt, können für den Käufer erhebliche Unannehmlichkeiten und finanzielle Nachteile entstehen. Verspätungen können etwa zusätzliche Kosten für Ersatzfahrzeuge verursachen oder zur Verschiebung geplanter Reisen führen.
Dieser Beitrag erläutert den rechtlichen Rahmen zum Lieferverzug beim Kauf von Neufahrzeugen und gibt einen Überblick über die maßgeblichen Vorschriften. Zudem wird aufgezeigt, welche Rechte und Pflichten Käufer und Verkäufer in diesem Zusammenhang haben.
Unterschiede zwischen Neuwagen und Gebrauchtfahrzeugen
Auf den Gebrauchtwagenkauf lassen sich die nachfolgenden Ausführungen nur eingeschränkt übertragen. Dies liegt insbesondere daran, dass beim Erwerb gebrauchter Fahrzeuge andere Lieferbedingungen vereinbart werden und Besonderheiten des Neuwagengeschäfts regelmäßig keine Rolle spielen.
1. Was sind die Neuwagen-Verkaufsbedingungen (NWVB)?
Bei einem Kaufvertrag über Neufahrzeuge werden häufig die sogenannten Neuwagen-Verkaufsbedingungen (NWVB) zugrunde gelegt. Dabei handelt es sich um bundesweit einheitlich verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die von den Spitzenverbänden des Kfz-Gewerbes (insbes. ZDK) in Zusammenarbeit mit der Automobilwirtschaft erarbeitet wurden.
Die NWVB werden in unregelmäßigen Abständen aktualisiert und überarbeitet. Sie regeln standardisiert wesentliche Vertragspunkte wie Lieferfristen, Rücktrittsrechte, Haftung und Gewährleistung.
Wichtig: Die NWVB gelten nicht automatisch, da sie keine Gesetzeskraft besitzen. Wie andere AGB müssen sie beim Vertragsschluss ordnungsgemäß in den Kaufvertrag einbezogen werden. Ihre rechtliche Wirksamkeit richtet sich nach den Vorschriften des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB).
2. Unverbindliche oder verbindliche Lieferfrist: Wann wird was vereinbart?
Nach den Neuwagen-Verkaufsbedingungen (NWVB) können Lieferfristen oder Liefertermine beim Autokauf individuell als „verbindlich“ oder „unverbindlich“ vereinbart werden. Für beides gibt es praktische Gründe.
- Oft kommt es vor, dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss noch nicht genau wissen, wann das Fahrzeug produziert und ausgeliefert werden kann, etwa bei individueller Konfiguration oder unsicherer Liefersituation. Die NWVB lassen in solchen Fällen eine unverbindliche Lieferzeit zu, um dem Verkäufer einen gewissen zeitlichen Spielraum zu geben.
- Demgegenüber können verbindliche Lieferfristen oder -termine dann sinnvoll sein, wenn das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt wird, z.B. für eine geplante Reise oder eine geschäftliche Nutzung. In diesen Fällen bietet die Verbindlichkeit dem Käufer mehr Rechtssicherheit und Planbarkeit.
Im Kfz-Handel wird in der Praxis deutlich häufiger eine unverbindliche Lieferzeit vereinbart als ein verbindlicher Liefertermin. Der Hauptgrund liegt darin, dass Händler bei Neufahrzeugen – insbesondere bei individuell konfigurierten Modellen – oft keinen exakten Produktions- oder Auslieferungstermin versprechen können.
Im Kaufvertrag wird die Lieferzeit üblicherweise in einer gesonderten Rubrik auf der Vorderseite des Bestellformulars angegeben. Dort finden sich vorformulierte Begriffe wie „Liefertermin/Lieferzeit … verbindlich/unverbindlich (Unzutreffendes streichen)“. Je nach konkreter Streichung oder Formulierung ergibt sich daraus, ob eine verbindliche oder unverbindliche Vereinbarung vorliegt.
3. Unverbindlicher Liefertermin: Wann treten Fälligkeit und Verzug ein?
a) Fälligkeit
Viele Käufer gehen davon aus, dass nach Ablauf einer angegebenen (unverbindlichen) Lieferzeit automatisch Verzug vorliegt. Das ist rechtlich jedoch nicht korrekt.
Bei unverbindlicher Lieferzeit gilt zunächst eine Schonfrist. Diese unterscheidet sich je nach Art des Neufahrzeugs (Abschnitt IV Nr. 2 NWVB).
- Nicht vorrätige Pkw: Hier beträgt die vertraglich vorgesehene Schonfrist sechs Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums nach Ablauf der unverbindlich vereinbarten Lieferzeit kann der Käufer keine Lieferung verlangen und kein Verzug wird begründet.
- Vorrätige Pkw: Bei Fahrzeugen, die bereits beim Händler oder im Lager verfügbar sind, verkürzt sich die Schonfrist deutlich auf zehn Tage. Erst danach kann der Käufer eine Lieferaufforderung aussprechen.
- Nutzfahrzeuge: Für vorhandene Nutzfahrzeuge gilt eine Zwischenregelung: Die Schonfrist beläuft sich auf zwei Wochen. Auch hier wird die Leistung vor Ablauf dieser Zeitspanne nicht fällig.
Wichtig: Nach den NWVB wird die Lieferung erst mit Ablauf der jeweiligen Zusatzfrist fällig. Vor Fälligkeit kann ein Lieferverzug nicht eintreten, da die Lieferung bis dahin nicht geschuldet ist.
b) Verzug
Eine wichtige Frage ist, ob schon das Verstreichenlassen eines unverbindlichen Zeitraums Verzug auslöst. Hier gilt ganz klar: Nein!
Bei unverbindlicher Lieferzeit braucht es nach Ablauf der Schonfrist zusätzlich noch eine Leistungsaufforderung des Käufers. Erst mit Zugang dieser Aufforderung gerät der Verkäufer in Verzug.
- Bei dieser Leistungsaufforderung handelt es sich um eine Mahnung (§ 286 BGB).
Wichtig: Die Aufforderung muss keine konkrete Nachfrist und auch keine Ablehnungsandrohung enthalten. Aus taktischen Gründen ist dies aber meist eine konkrete Fristsetzung zu empfehlen.
Speziell zur 6-Wochen-Schonfrist hat der Bundesgerichtshof in einem älteren Urteil ausdrücklich anerkannt, dass sie nicht gegen AGB-Recht verstößt:
Urteil
„Die Klausel gibt dem Käufer die Möglichkeit, nach Ablauf der zunächst unverbindlichen Lieferfrist und einem weiteren Zeitraum von sechs Wochen den Verkäufer rechtswirksam zu mahnen und damit die Verzugsfolgen herbeizuführen. Bei der Prüfung der Frage, ob diese „Nachfrist“ unangemessen lang ist, sind die Besonderheiten des Kraftfahrzeughandels zu berücksichtigen. Der Händler bestellt seinerseits den gewünschten Wagen, sofern er ihn nicht vorrätig hat, bei dem Hersteller unter Angabe der besonderen Ausstattungswünsche seines Käufers. Dabei entspricht es der auch im Interesse des Käufers liegenden Praxis, daß das Kraftfahrzeug zumeist von vornherein – und nicht erst nachträglich beim Händler – in der gewünschten Ausstattung und mit der bestellten Sonderausrüstung hergestellt wird. Angesichts des breit gefächerten Angebots verschiedenartigster Ausstattungen ist es oft unvermeidbar, daß je nach den Liefermöglichkeiten der Zulieferanten des Herstellers Verzögerungen in der Fertigstellung des Kraftfahrzeuges eintreten. Das nimmt der Käufer, wenn er sich mit einer nur unverbindlichen Lieferfrist einverstanden erklärt, hin. (…)“
BGH, Urteil vom 07.10.1981, Az.: VIII ZR 229/80.
4. Verbindlicher Liefertermin: Wann tritt Verzug ein?
Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Vertragsparteien einen verbindlichen Liefertermin oder eine verbindliche Lieferfrist vereinbart haben. In diesem Fall ist die Position des Käufers deutlich stärker.
Es gilt Folgendes (Abschnitt IV Ziffer 4 NWVB):
Bei einer Überschreitung der verbindlichen Lieferzeit kommt der Verkäufer automatisch in Verzug. Eine Mahnung oder Lieferaufforderung ist für den Verzugseintritt also entbehrlich. Die NWVB entsprechen hier der üblichen gesetzlichen Regelung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
5. Wann kann bei Lieferverzug ein Rücktritt erfolgen?
a) Voraussetzungen für den Rücktritt
Viele Käufer verlieren bei einer erheblichen Lieferverzögerung das Interesse an dem bestellten Fahrzeug oder möchten es stattdessen bei einem anderen Händler erwerben. In solchen Fällen stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie wirksam vom geschlossenen Kaufvertrag zurücktreten können und welche Schritte hierfür erforderlich sind.
Das Gesetz gibt hier klare Vorgaben:
- Erstens muss der Lieferanspruch fällig sein (siehe oben unter 3. & 4).
- Zweitens muss eine Nachfrist zur Lieferung erfolgen (dazu sogleich).
- Drittens muss die Frist ergebnislos verstreichen.
- Viertens muss der Rücktritt erklärt werden. Die bloße Androhung eines Rücktritts führt bei Fristablauf nicht automatisch zur Vertragsbeendigung. Erforderlich ist eine entsprechende Willenserklärung gegenüber dem Verkäufer.
b) Angemessenheit der Frist
Das Erfordernis einer Frist ergibt sich sowohl aus dem Gesetz als auch den NWVB.
Sowohl das Gesetz als auch die NWVB verlangen dabei, dass der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Lieferung setzt.
Welche Nachfrist als angemessen gilt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Regelfall kann aber eine Frist von etwa zwei Wochen als angemessen angesehen werden.
Wichtig: Aus Gründen der Vorsicht sollte die Frist immer ausdrücklich konkretes Enddatum benennen. Eine zu kurze Frist hat dabei keine Nachteile für den Käufer, da sie automatisch in eine angemessene Frist umgedeutet wird.
- Siehe z.B. LG Paderborn, Urteil vom 07.05.2025, Az. 4 O 291/24.
Systematische Unterscheidung
Das Erfordernis einer Fristsetzung betrifft nur Rechte, mit denen der Käufer auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses abzielt (Rücktritt, „Schadensersatz statt der Leistung“).
Bei einem bloßen Verzögerungsschaden kann der Käufer hingegen auch ohne Nachfristsetzung Schadensersatz verlangen, da der Kaufvertrag in diesem Fall fortbesteht. Man spricht hierbei von „Schadensersatz neben der Leistung“.
6. Wann ist eine Fristsetzung für den Rücktritt entbehrlich?
Es ist allgemein anerkannt, dass für die gesetzlichen Rechte auf Rücktritt und auf „Schadensersatz statt der Leistung“ in bestimmten Ausnahmefällen keine Fristsetzung erforderlich ist. Solche Ausnahmetatbestände sind ausdrücklich im Gesetz verankert (§ 281 Abs. 2 BGB und § 323 Abs. 2 BGB).
Von großer praktischer Bedeutung ist dabei der Fall einer endgültigen Leistungsverweigerung (für den Rücktritt § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Eine solche Verweigerung liegt vor, wenn der Verkäufer ausdrücklich erklärt oder durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gibt, dass er die geschuldete Lieferung nicht mehr erbringen wird.
- Unerheblich ist dabei, ob dies auf fehlendem Können oder auf einem mangelnden Willen beruht.
Die Anforderungen an eine endgültige Leistungsverweigerung sind allerdings streng. So wurde etwa entschieden, dass ein zweimaliges Nichteinhalten eines Liefertermins noch nicht ausreicht, um von einer endgültigen Erfüllungsverweigerung auszugehen, solange der Verkäufer weiterhin seine Bereitschaft zur Lieferung signalisiert.
Wichtig: Aus taktischen Gründen sollte möglichst immer eine Fristsetzung erfolgen, sofern dies nach den Umständen vertretbar ist. Andernfalls besteht das Risiko, dass der Rücktritt oder „Schadensersatz statt der Leistung“ nicht wirksam geltend gemacht werden können.
- Einen Musterbrief für eine Fristsetzung finden Sie am Ende dieses Beitrags.
7. Rücktritt bei höherer Gewalt und Betriebsstörungen?
Die vergangenen Jahre waren gezeichnet durch geopolitische und wirtschaftliche Großereignisse wie die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und die anhaltende Halbleiterknappheit. Vor diesem Hintergrund stellt sich immer häufiger die Frage, ob und in welchem Umfang externe Störungen die vertraglich geschuldete Lieferzeit beeinflussen können.
Nach den NWVB wird die vereinbarte Lieferzeit verlängert, wenn höhere Gewalt oder unverschuldete Betriebsstörungen beim Händler oder dessen Lieferanten eintreten. Die Verlängerung erfolgt um die Dauer der Störung, ist jedoch auf höchstens vier Monate begrenzt.
Überschreitet die Verzögerung diese Höchstfrist, ist der Käufer berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten (Abschnitt IV Nr. 6 NWVB).
Wichtig: Das spezielle Rücktrittsrecht bei höherer Gewalt und unverschuldeten Betriebsstörungen gelten unabhängig von anderen gesetzlichen Rücktrittsrechten. Diese bleiben daneben vollständig bestehen, etwa bei Unmöglichkeit der Leistung oder erheblichen Pflichtverletzungen des Händlers.
8. Verzugsschaden: Schuldet der Händler Schadensersatz?
Kommt es zu einer verspäteten Lieferung und möchte der Käufer das Fahrzeug behalten, scheidet ein Rücktritt für ihn aus. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang er wegen möglicher Verzögerungsschäden Schadensersatz verlangen kann.
Bei einem solchen Verzugsschaden geht es dem Käufer um den Ausgleich aller Schäden, die durch die verspätete Lieferung entstanden sind. Da der Kaufvertrag bestehen bleibt, spricht man von einem „Schadensersatz neben der Leistung“.
Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass sich der Verkäufer im Lieferverzug befindet (§ 286 BGB). Dies richtet sich nach den oben genannten Grundsätzen. Es ist also zwischen der unverbindlichen Lieferzeit (3.) und dem verbindlichen Lieferzeit (4.) zu unterscheiden.
Wichtig: Der Verkäufer haftet auf Schadensersatz, wenn er die verspätete Lieferung zu vertreten hat. Ein solches Verschulden wird gesetzlich vermutet (§ 280 Abs. 1 BGB, § 286 Abs. 4 BGB). Der Händler trägt also die Beweislast, wenn er sich auf entlastende Tatsachen berufen will.
Zurechnung von Abläufen beim Hersteller, Importeur und Lieferanten?
Immer wieder kommt es zu einer verspäteten Lieferung, weil es zu Engpässen oder Fehlern beim Hersteller, Importeur oder Zulieferern gekommen ist. Es ist anerkannt, dass dem Händler ein solches Verhalten dieser Beteiligten in der Lieferkette nicht als eigenes Verschulden zugerechnet wird.
- BGH, Beschluss vom 09.06.2020, Az. VIII ZR 315/19.
Wenn die Lieferverzögerung auf solchen Umständen beruht, kann der Verkäufer sich „exkulpieren“. Der Händler haftet mangels Verschuldens dann nicht auf Schadensersatz.
9. Verzugsschaden: Welche Schäden sind zu ersetzen?
Befindet sich der Händler im Verzug und kann er sich nicht entlasten, ist er dem Käufer zum Ersatz des daraus entstehenden Verzugsschadens verpflichtet. Welche Positionen hierbei ersatzfähig sind, lässt sich nicht in einem abschließenden Katalog festhalten.
Typische Beispiele sind Mietwagenkosten, um die Phase des Verzugs zu überbrücken, oder Mehraufwendungen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Zug, Flugzeug). Bei einer gewerblichen Nutzung kann aber auch der entgangene Gewinn ersatzfähig sein.
Verzichtet ein Privatkäufer auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, kann er eine pauschale Nutzungsentschädigung verlangen. Der Händler haftet hier auf Schadensersatz, obwohl im Grunde kein messbarer Vermögensschaden entstanden ist.
- Der Anspruch Nutzungsentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass dem Käufer durch die verspätete Lieferung ein Nutzungsvorteil entgangen ist. Dieser Vorteil – also die jederzeitige Verfügbarkeit und Nutzbarkeit eines eigenen Fahrzeugs – hat einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert.
- Bei der Bemessung der Nutzungsentschädigung kommt es in erster Linie auf die Fahrzeugklasse und den damit verbundenen objektiven Gebrauchswert an. Die Rechtsprechung greift hierzu häufig auf Pauschalsätze zurück, die sich an den durchschnittlichen Mietwagenkosten für vergleichbare Fahrzeuge orientieren.
Wichtig: Der Käufer trägt die Beweislast für den entstandenen Schaden und für dessen Höhe. Daher empfiehlt es sich, sämtliche Belege (z.B. Rechnungen für einen Mietwagen) aufzubewahren und entgangene Gewinne sorgfältig zu dokumentieren.
10. Verzugsschaden: In welcher Höhe haftet der Händler?
Viele Käufer erwarten einen „vollen“ Ersatz aller Nachteile, sobald das bestellte Auto verspätet geliefert wird. Tatsächlich enthalten die NWVB jedoch eine wichtige Begrenzung der Schadenshöhe.
So heißt es darin (Abschnitt IV Nr. 2 NWVB):
„Hat der Käufer Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens, beschränkt sich dieser bei leichter Fahrlässigkeit des Verkäufers auf höchstens 5 % des vereinbarten Kaufpreises.“
Unabhängig von der tatsächlichen Schadenshöhe haftet der Verkäufer also in Höhe von maximal fünf Prozent des Kaufpreises. Diese Haftungsgrenze ist allerdings auf Fälle leichter Fahrlässigkeit beschränkt.
Im Umkehrschluss greift bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz die volle Haftung des Händlers. Der Anspruch des Käufers ist hier der Höhe nach nicht länger begrenzt.
Wichtig: Für das Maß des Verschuldens trägt der Käufer die Beweislast. Verlangt er über die Schadensgrenze der 5-Prozent-Deckelung hinaus Schadensersatz, muss er eine grobe Fahrlässigkeit oder ein vorsätzliches Handeln des Händlers nachweisen.
Begrenzte Haftung auch in weiteren Fällen
Weitere Haftungsbegrenzungen gelten für den „Schadensersatz statt der Leistung“, insbesondere im B2B-Bereich, d.h. bei gewerblichen Käufern (Abschnitt IV Nr. 3 NWVB). Da diese Art des Schadensersatzes in der Praxis jedoch eine geringere Rolle spielt, soll hierauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
Fazit
Der Lieferverzug beim Neuwagenkauf ist ein komplexes Thema mit vielen Facetten. Pauschale Antworten greifen hier meist zu kurz.
Eine genaue Prüfung des Einzelfalls ist unerlässlich, um die Rechtslage sicher einzuschätzen. Dazu gehören insbesondere der Vertragstext, der Verlauf der Kommunikation, einzuhaltende Fristen, AGB-Regelungen und die Beachtung aktueller Urteile.
Musterbrief für eine Fristsetzung
Sie sind Käufer und möchten den Händler zur Lieferung bzw. Bereitstellung des bestellten Fahrzeugs auffordern? Orientieren können Sie sich hierzu am folgenden Musterbrief (zum Öffnen bitte anklicken).
Muster für eine Fristsetzung
[Absender = Ihre Anschrift]
[Adresse des Händlers]
[Ort], den [Datum]
Betreff: Fristsetzung zur Lieferung, Auftrags-/Bestellnr. [Nummer]
Sehr geehrte Damen und Herren,
zur oben genannten Auftragsnummer habe ich am [Datum der Bestellung] ein Fahrzeug der Marke [kurze Angabe zu Marke/Modell] bestellt. Eine Lieferung ist bis heute nicht erfolgt.
Sie werden hiermit aufgefordert, das bestellte Fahrzeug unverzüglich, spätestens jedoch zum [konkretes Datum], zu liefern / zur Abholung bereitzustellen.
Bitte teilen Sie unverzüglich ab Zugang dieses Schreibens einen verbindlichen Termin zur geschuldeten Lieferung / Bereitstellung des Fahrzeugs mit.
Weitere Rechte und Ansprüche für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs behalte ich mir ausdrücklich vor.
[Grußformel]
[Name des Kunden]
* * *
Bitte beachten: Passen Sie das Schreiben an Ihre Bedürfnisse an. Das Muster stellt keine Rechtsberatung dar.
© Rechtsanwalt C.D. Franz
Dieser Beitrag enthält keine Rechtsberatung und dient lediglich der allgemeinen Information.
Über den Autor
Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz zentral in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die verkehrsgünstige Anbindung an Autobahnen, den Zugverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten.
Das Immobilienrecht, Vertragsrecht sowie das Maklerrecht gehören seit der Gründung der Kanzlei im Jahr 2014 zu den wichtigsten Rechtsgebieten.
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