OLG Naumburg, Urteil vom 27.09.1995, Az. 6 U 109/95
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. April 1995 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg – 4 0 2.142/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer und des Streitgegenstands beträgt DM 10.944.–.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte den ihm zuerkannten Anspruch auf Rückzahlung des Mäklerlohns.
Herr X. hatte seinen Rückzahlungsanspruch in Höhe von DM 18240,– am 27. 2. 1995 an den Kläger abgetreten (§ 398 BGB). Der Zedent hatte den Mäklerlohn vor Rechtshängigkeit rechtsgrundlos an die Beklagte gezahlt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
a) Am 20. 12. 1992 hatte der Zedent mit der Beklagten einen Maklervertrag geschlossen, nach dessen Inhalt er den Lohn zahlen sollte (§ 652 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Beklagte hatte die von ihr geschuldete Leistung insoweit erbracht, als sie dem Zedenten den Kauf eines Restitutionsanspruchs nachgewiesen hatte, der nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes einem Herrn R. zustand. Der Kaufvertrag war am 5. 11. 1992 geschlossen worden.
b) Der Anspruch der Beklagten auf den vereinbarten Mäklerlohn war ausgeschlossen, da die Beklagte dem Inhalte des Maklervertrags zuwider auch für den Verkäufer des Anspruchs tätig geworden war (§ 654 BGB). Der Umstand, daß die Beklagte am 23. 6. 1992 auch mit dem Verkäufer R. einen Maklervertrag geschlossen hatte, den sie infolge ihrer Vermittlungstätigkeit ebenfalls weitgehend erfüllte, ist zwischen den Parteien unstreitig.
aa) Der Senat verkennt nicht, daß dieses Verhalten allein nicht geeignet ist, der Beklagten eine Vertragswidrigkeit gegenüber dem Zedenten vorzuwerfen. Die gleichzeitige Tätigkeit des Maklers für beide Seiten eines zu schließenden Vertrags kann den Interessen der Beteiligten durchaus förderlich sein, so daß dem Makler gegenüber beiden Kunden ein Anspruch auf Lohn zusteht (vgl. § 99 HGB). Die sog. Doppeltätigkeit verstößt nur gegen einen der beiden Maklerverträge, wenn sie nach dem Inhalte eines Vertrags ausdrücklich verboten war, einer in dem Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willensäußerung des Kunden widerspricht oder dessen Interessen zuwiderläuft (vgl. Staudinger-Reuter, Kommentar zum BGB, § 654 Rn. 4; Erman-Werner/ Handkommentar zum BGB, § 654 Rn. 2) . In Fällen wie dem vorliegenden, in denen für ein Verbot und eine bestimmte Willensäußerung des Kunden keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen, kann eine Vertragswidrigkeit nur auf eine Mißachtung seiner Interessen gestützt werden.
bb) Welche Interessen der Kunde des Maklers hat und ab welchem Grad ihrer Mißachtung der Lohnanspruch des Maklers in Wegfall gerät, ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs streitig und in der Diskussion (vgl. die Übersicht bei Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 1). Immerhin können die unterschiedlichen Standpunkte auf den gemeinsamen Gesichtspunkt zurückgeführt werden, daß der Kunde des Maklers ein Interesse an einem für ihn wirtschaftlich optimalen Vertragsschluß mit dem Dritten hat (vgl. Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 2 f.). Mag die Mißachtung dieses Interesses auch als ein venire contra factum proprium des Maklers angesehen werden (vgl. Erman-Werner a.a.O. Rn. 1) oder mit der Rechtsprechung als Verletzung einer dem Kunden gegenüber bestehenden Treuepflicht gelten (vgl. BGHZ 36, 323, 326 ff.), so daß eine Nichterfüllung des Maklervertrags vorliege (so die herrschende Meinung, vgl. Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 1, 14), stets begründet der mangelnde Nutzen der Maklertätigkeit für den Kunden den Wegfall des Provisionsanspruchs des Maklers. Die Äquivalenzstörung der im Rahmen des Maklervertrags auszutauschenden Leistungen stellt mithin die Ursache für die Rechtsfolge nach § 654 BGB dar (ähnlich Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 3, 14).
cc) Die Qualität der vom Makler erbrachten Leistung hängt nicht nur von dem wirtschaftlichen Erfolg des zwischen seinem Kunden und dem Dritten zustande gekommenen Vertrags ab. Sie wird auch an der Art und Weise seiner Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit gemessen, die für den Vertragsschluß ursächlich ist (vgl. § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Äquivalenzstörung tritt daher nicht erst ein, wenn dem Auftraggeber aus dem abgeschlossenen Vertrag mit dem Dritten ein Vermögensnachteil entstanden ist (vgl. BGHZ 36, 323, 326 ff.; abweichend Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 14). Es genügt vielmehr, daß die Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit des Maklers geeignet war, die Verhandlungschancen des Kunden zu schmälern (ähnlich Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 6). Das ist der Fall, wenn der Makler dem Kunden Umstände vorenthalten hat, die sich auf den mit dem Dritten abzuschließenden Vertrag bezogen haben und für die Willensentschließung des Kunden im Rahmen der zu führenden Vertragsverhandlungen von Bedeutung sein konnten (vgl. BGH NJW 1982, 1145, 1146 m.w.N. [=_WM 1982, 307 L]). Im Hinblick darauf, daß eine Provisionsverpflichtung des Dritten einerseits dessen Vertragskosten in die Höhe treibt und andererseits die Chance seines Verhandlungspartners, zu einem wirtschaftlich optimalen Vertragsschluß zu gelangen, schmälert, entspricht es dem wohlverstandenen Interesse beider Verhandlungspartner, vom Bestehen einer Provisionsverpflichtung des jeweils anderen zu erfahren. Nur bei einer Kenntnis der vertragsbedingten Kosten des anderen kann jeder Verhandlungspartner seine Chancen auf einen optimalen Vertragsschluß überblicken und seine Interessen bei den Vertragsverhandlungen umfassend wahren. Sind beide Partner die Kunden eines Maklers, so hat dieser die Interessen seiner Kunden im Wege der Aufklärung zu wahren (so auch Staudinger-Reuter a.a.O. Rn. 5 f.; Erman-Werner a.a.O. Rn. 4; Werner, NJW 1971, 1943 f.; BGH NJW 1968, 150, 151). Scheitern die Vertragsverhandlungen infolge der interessewahrenden Aufklärung, so erwirbt der Makler keinen Lohnanspruch (vgl. § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er trägt das Risiko, das er mit dem Abschluß beider Maklerverträge heraufbeschworen hat (vgl. Werner a.a.O. Seite 1944). Unterläßt der Makler die Aufklärung interessenwidrig, nimmt ihm das Gesetz die Provision (§654 BGB). Dem Makler ist es nicht erlaubt, sein Interesse an einem Unterbleiben der Aufklärung über die Interessen seiner Kunden zu stellen (vgl. BGH NJW 1968, 150, 151) .
dd) Die Beklagte hat dem Zedenten die Information vorenthalten, auch mit dem Verkäufer des Restitutionsanspruchs einen Maklervertrag geschlossen zu haben. Der Zedent wußte daher bei den Vertragsverhandlungen nicht, daß in den vom Verkäufer geforderten Kaufpreis möglicherweise dessen Kosten für die Inanspruchnahme der Beklagten einkalkuliert waren.
Der Zedent hat bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bekundet, daß er sich bei Kenntnis der Sachlage sicher bemüht hätte, eine Gesamtregelung herbeizuführen, um weniger als das von ihm Geforderte zu zahlen. Ein Limit habe er sich zwar nicht gesetzt, so daß es für ihn noch zu einem wirtschaftlich vernünftigen Ergebnis gekommen sei. Gleichwohl habe er aber das Gefühl, eigentlich zuviel gezahlt zu haben.
Demnach hat die Beklagte die Interessen ihres Kunden mißachtet. Ihr Verhalten hat zwar keine Inanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung zur Folge, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Schaden des Zedenten bestehen (im Fall einer positiven Vertragsverletzung entfiele der Provisionsanspruch nach §§ 249 ff. BGB, vgl. BGH NJW 1982, 1145, 1146). Das Verhalten der Beklagten hat aber zu einer Äquivalenzstörung im Rahmen des Maklervertrags beigetragen und infolgedessen zum Verlust ihres Provisionsanspruchs nach § 654 BGB geführt.
ee) Soweit die Rechtsprechung in Abgrenzung zu den Voraussetzungen einer positiven Vertragsverletzung eine Treuwidrigkeit des Maklers fordert, die über eine leichte Fahrlässigkeit hinausgeht und sich wenigstens als grob leichtfertiges Verhalten darstellt (vgl. BGHZ 36, 323, 327), ist diese Voraussetzung gegeben. Der Zedent hat in diesem Zusammenhang ausgesagt, die Beklagte habe ihm bei der Anbahnung des Maklervertrags mitgeteilt, daß er als Käufer die Provision zu tragen habe. Dies habe er so aufgefaßt, daß er allein provisionspflichtig gewesen sei. Das Verhalten der Beklagten berührt mithin derart die Grundlagen des Vertrauens in die Lauterkeit des Maklers, daß nur eine Verwirkung des Maklerlohns einen interessengerechten Ausgleich schaffen kann (vgl. Werner a.a.O. Seite 1944).
ff) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, mit dem der Einwand gegen den Provisionsanspruch hätte ausgeschlossen werden können, hat der Zedent im Unterschied zu Herrn R., der seinen (angeblichen) Anspruch ebenfalls an den Kläger abgetreten hat, nicht abgegeben.
Worum geht es in dem Urteil?
Das Oberlandesgericht Naumburg hattte über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers erlaubt ist. Das OLG geht davon aus, dass der Provisionsanspruch verwirkt ist, wenn der Doppelmakler nicht darüber aufklärt, dass er für beide Parteien provisionspflichtig tätig wird.
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