OLG Naumburg, Urteil vom 20.02.2014, Az. 1 U 86/13

Leitsatz:

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf einem Dach ist regelmäßig ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung, auch fehlt es am Bauwerksbezug. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung als Bauleistungen führt wegen des weiter gefassten steuerrechtlichen Begriffes zu keiner anderen Einschätzung. Damit scheidet die Anwendbarkeit von § 648a BGB aus.

In dem Rechtsstreit

… / …

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2014 durch den Richter am Oberlandesgericht Krause als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. wird das am 3. Juni 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz werden der Beklagten zu 1. 1/33 auferlegt. Von ihren außergerichtlichen Kosten erster Instanz trägt die Beklagte zu 1. 1/20. Darüber hinaus hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

und beschlossen:

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 974.389,38 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1. sowie die Beklagte zu 2. als deren ausgeschiedene Komplementärin nach Kündigung des Vertrages über die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Grund nicht geleisteter Bauhandwerkersicherheit auf Zahlung der vereinbarten Vergütung in Anspruch.

Seit Dezember 2010 standen die Klägerin und die Beklagte zu 1. wegen des Projektes in Kontakt. Nachdem die Fa. L. AG & Co KG (Beklagte zu 4.) das Grundstück mit den für den Aufbau der Auf-Dach-Anlagen bestimmten Werkhallen am 26. 10. 2011 in der Zwangsversteigerung für 200.000,00 EUR erworben hatte (vgl. Beschluss des AG Halle (Saale) vom 4. 11. 2011 – Anlage B10), schlossen die Beklagte zu 1. und die Klägerin am 28. 10. 2011 die sog. Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Errichtung von Photovoltaikanlagen (Anlage K1), der die Nebenbestimmung vom gleichen Tag (Anlage K27) hinzugefügt wurde. Die gemäß § 1 zu liefernden und zu montierenden Anlagen sollten ausschließlich in das öffentliche Netz einzuspeisenden Strom produzieren (Bd. III Bl. 214 d.A.). Deshalb bestand auch Grund zur Eile, weil sich mit dem Ende des Jahres die garantierte Vergütung für den einzuspeisenden Strom zu verringern drohte.

Die in § 7 Abs. 2 des Vertrages vorgesehene Zahlung der Klägerin i.H.v. 289.989,72 EUR an die Beklagte zu 2., die im Umfang von 170.000,00 EUR geleistet ist, ging auf das Bestreben der Beklagten zu 1. zurück, sich wegen der nicht bekannten Leistungsfähigkeit der Klägerin abzusichern (Bd. I Bl. 4; Bd. II Bl. 66 d.A.), was – so die Klägerin – gleichsam den Charakter einer Fertigstellungssicherheit trug (Bd. II Bl. 69 d.A.).

Nachdem die Klägerin den Vertrag am 16. 12. 2011 gekündigt und der Beklagten zu 1. die Schlussrechnung übersandt hatte, berief sich die Beklagte zu 1. mit anwaltlichem Schreiben vom 19. 12. 2011 auf die Unwirksamkeit der Kündigung und forderte die Klägerin erfolglos auf, “das Werk fristgerecht zu vollenden”. Sollte die Anlage nicht vertragsgerecht hergestellt werden, sei die Beklagte zu 1. gezwungen, Schadensersatz zu verlangen (Anlage K9). Auf den Schadensersatz kam die Beklagte zu 1. einen Tag später zurück und erklärte “bereits die Aufrechnung gegenüber sämtlichen Ansprüchen, die seitens H. gestellt werden” (Anlage K10). Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm mit Schreiben vom 22. 12. 2011 Stellung (Anlage K11). Dort heißt es u.a.: “…Lediglich vorsorglich weise ich darauf hin, dass meiner Mandantin hier neben den Rechten aus § 648a BGB sowie der Kündigung auch solche aus § 321 BGB zur Seite standen. Selbst ohne Vertragsbeendigung wäre meine Mandantin in der gegenwärtigen Situation zur Leistungsverweigerung berechtigt. Höchst vorsorglich wird hiervon Gebrauch gemacht…”.

Im März 2012 hat die L. AG & Co. KG den von der Klägerin zuvor gelieferten und installierten Teil der Anlagen (29 Wechselrichter, diverse Solarkabel und Standbausystem) für 260.000,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer veräußert (vgl. Vertrag Bd. III Bl. 221 ff. d.A.).

Das Landgericht Halle hat der Klage mit Urteil vom 3. 6. 2013 gegen die Beklagten zu 1. und 2. im Wesentlichen stattgegeben. Im Übrigen blieben die Rechtsverfolgung der Klägerin und die auf teilweisen Schadensersatz gerichtete Widerklage der Beklagte zu 1. ohne Erfolg. Wegen der dort im Weiteren getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Halle Bezug genommen.

Gegen das Urteil vom 3. 6. 2013 wenden sich die Beklagten zu 1. und 2. mit ihrer Berufung. Sie halten an der Auffassung fest, dass die Klägerin den Vertrag nicht habe kündigen können, weil die im Jahr 2011 für die Beklagte zu 1. nicht realisierbare Finanzierbarkeit des Projekts zwischen den Parteien klar gewesen sei und sich in der Vorfinanzierungsabrede des Vertrages niedergeschlagen habe. Sei die Kündigung unwirksam, bestehe ein Schadensersatzanspruch der Beklagten zu 1., was zur Abweisung der Klage führen müsse.

Das Landgericht übergehe im Urteil zudem das Bestreiten der ausgeführten Leistungen durch die Beklagten und habe deshalb angetretene Beweise nicht erhoben.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Halle vom 3. 6. 2013 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts und ihr Sicherungsverlangen, das auch aus dem Vertrag selbst oder analog § 648a BGB berechtigt gewesen sei. Die Parteien hätten unter Berücksichtigung der Größe, der Zweckbestimmung, der kalkulierten Preise und der Planungsanforderungen der Anlage einen Werkvertrag geschlossen. Außerdem habe die Klägerin die Unsicherheitseinrede erhoben und Anlagen zu errichten gehabt, die auch die tragenden Hallen hätten versorgen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. und 2. hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht im vom Rechtsmittel angegriffenen Umfang auf Rechtsverletzungen i.S.v. § 513 Abs. 1 ZPO. Der mit der Klage verfolgte prozessuale Anspruch der Klägerin auf Zahlung des vereinbarten Entgeltes, wie ihn das Landgericht aus §§ 648a Abs. 5 Satz 2, 531 Abs. 1 BGB hergeleitet hat, ist einem Schadensersatzanspruch statt Leistung der Beklagten zu 1. gewichen, der nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Dementsprechend kommt auch eine Haftung der Beklagten zu 2. für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1, 160 HGB nicht in Betracht.

1. Das Landgericht ist zutreffend von einem zunächst wirksam begründeten und nicht durch Anfechtung untergegangenen Vertragsverhältnis der Parteien ausgegangen. Dies bezweifeln auch die Beklagten zu 1. und 2. nicht mehr, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck brachten.

2. Weiter hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe den Werkvertrag der Parteien nach § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB durch Kündigung beendet, weil sie von der Beklagten zu 1. Sicherheit verlangt, allerdings trotz Fristsetzung nicht erhalten habe.

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 648a BGB lagen nicht vor, sodass die hierauf gestützte Kündigung der Klägerin ins Leere ging.

a) § 648a BGB gehört zu den werkvertraglichen Vorschriften. Eine Bauhandwerkersicherung kann daher nicht für Lieferverträge, insbesondere keine Kaufverträge verlangt werden (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 648a Rdn. 6). Gemäß § 1 des Vertrages vom 28. 10. 2011 verpflichtete sich die Klägerin zur Lieferung und zur Montage von Photovoltaikanlagen. In ihrem Sicherungsverlangen vom 29. 11. 2011 stellte die Klägerin in Aussicht, zu kündigen und den Kaufpreis zu beanspruchen. Die Beklagte zu 1. verlangte dagegen die Herstellung des Werkes. Tatsächlich wurde ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung geschlossen, der keine § 648a BGB entsprechende Sicherheit und Kündigungsmöglichkeit vorsah.

Übernimmt der Unternehmer die Herstellung einer Sache und liefert er das dafür notwendige Material, kommt es für die rechtliche Einordnung des Vertrages entscheidend darauf an, ob die Pflicht zur Eigentumsübertragung der zu montierenden Teile oder die Herstellungspflicht im Vordergrund steht (BGH NJW 2006, 904, 905 [BGH 22.12.2005 – VII ZR 183/04] m.w.N.). Zur Bestimmung dessen ist zu ermitteln, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt, was von der Art des zu liefernden Gegenstandes, vom Wertverhältnis zwischen Lieferung und Montage sowie von den Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abhängig ist (BGH, Beschluss vom 16. 4. 2013, VIII ZR 375/11 – BeckRS 2013, 15325 Rdn. 6 m.w.N.; Erman/Schwenker, BGB, 13. Aufl., § 651 Rdn. 13). Beruft sich die Klägerin auf ein Werkvertragsverhältnis trägt sie dafür die Darlegungs- und Beweislast (Palandt/Sprau, § 648a Rdn. 13). Dem wird ihr Sachvortrag trotz des Hinweises in der Ladungsverfügung vom 7. 11. 2013 nicht gerecht. Die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 9. 12. 2013 und im Schriftsatz vom 20. 1. 2014 lassen angesichts der mit Schriftsatz vom 4. 2. 2014 eingereichten Planung eine Dominanz der Montageleistungen nicht erkennen.

Die meisten Gerichte gehen bei der Verpflichtung zur Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage von einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung aus (BGH NJW-RR 2004, 850 [BGH 03.03.2004 – VIII ZR 76/03]; Urteil vom 9. 10. 2013, VIII ZR 318/12 – BeckRS 2013, 21219; OLG Saarbrücken, Urteil vom 2. 2. 2011, 1 U 31/10 – BeckRS 2011, 03886; OLG Brandenburg, Urteil vom 12. 12. 2012, 7 U 102/11 – BeckRS 2013, 04070; OLG Oldenburg, Urteil vom 22. 1. 2013, 2 U 47/12 – BeckRS 2013, 12866). Auch die Literatur folgt dieser Auffassung, jedenfalls soweit es um Auf-Dach-Anlagen geht, wie sie die Klägerin zu installieren hatte (Kleefisch/Durynek, NZBau 2012, 475; Taplan/Baumgartner MDR 2012, 1323, 1324). Ein Großteil der Investitionskosten entfallen nämlich auf die Module und die Wechselrichter (Busch/Ruthemeyer NZBau 2012, 743, 744). Zuletzt hat sich Schneidewindt (NJW 2013, 3751) mit der rechtlichen Einordnung von Verträgen über Photovoltaik-Dachanlagen beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis, dass bei typischen Auf-Dach-Anlagen die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund steht und deshalb ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung vorliegt. Etwas anderes ist auch hier nicht dargetan.

Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es für die Bestimmung des Vertragstyps auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Insbesondere eine Anpassung an die individuellen Wünsche des Bestellers mit der Folge schwerer anderweitiger Absetzbarkeit kann für einen Werkvertrag sprechen (BGH aaO.). Diese Individualität, auf die die Klägerin auch abzustellen versucht, vermag der Senat dem Klagevortrag nicht zu entnehmen. Schon die vorgelegte Planung macht deutlich, dass eher standardmäßig mit Hilfe eines Computerprogramms vorgegangen wurde, um lediglich die optimale Belegung der einzelnen Dächer mit in Serie produzierten Modulen (vgl. auch BGH NJW 1998, 3197) zu ermitteln. Es finden sich keine speziellen Verlege- oder Montagepläne, die die Notwendigkeit einer Anpassung des von der Klägerin erworbenen Materials erkennen lassen. Von der Erfüllung einer umfangreichen, anspruchsvollen und aufwändigen Planungsaufgabe kann keine Rede sein. Die Errichtung einer betriebsbereiten Photovoltaikanlage erfordert regelmäßig auch keine Anpassung der typisierten Komponenten an die individuellen Wünsche des Erwerbers mit der Folge schwerer anderweitiger Absetzbarkeit. Es findet lediglich eine Angleichung der Dimensionierung der Anlage an die vertraglich vereinbarte Leistung statt (Schneidewindt NJW 2013, 3751, 3753). Gleich welche Größe die Anlage danach erreicht, ihre Hauptbestandteile lassen sich stets ohne größeren Aufwand wieder demontieren und an anderer Stelle verwenden (Schneidewindt aaO.).

Es ist sicher richtig, die Montageleistungen der Klägerin als umfangreich zu bezeichnen. Dennoch überwiegen die Materialkosten auch hier deutlich (Schneidewindt NJW 2013, 3751, 3754). Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 9. 12. 2013 darzulegen versucht, dass der Materialwert hinter den Montagekosten (wohl bezeichnet als die übrigen Kosten) zurückbleibt, ist das Rechenwerk mit Blick auf die vom Landgericht im Tatbestand des Urteils festgestellte Kalkulation der Klägerin unrichtig. Allein die Module und die Wechselrichter hat die Klägerin mit netto 685.104,74 EUR kalkuliert. Das ist fast die Hälfte des vereinbarten Preises. Hinzu kommen die vielen anderen Positionen, die im Preis neben der Lieferung eine Montage enthalten. Genannt seien nur das Erdungskabel (38.200,00 EUR), die C-Schienen 28 mm (47.250,00 EUR), die C-Schienen 41 mm (285.150,40 EUR) und das 6 mm2 Kabel (41.250,30 EUR), wohingegen die Planungs- und Projektierungskosten mit 72.497,46 EUR nach dem, was dem Senat vorliegt, wenig plausibel sind. Vielmehr scheint auch hier zuzutreffen, dass die Planung kaum der Rede wert war, weil die Dimensionierung der Anlage und ihrer Komponenten je nach dem gewünschten Betriebszweck automatisch mittels einer Standardsoftware erfolgten (Scheidewindt aaO.). Besondere statische Anforderungen waren nach eigener Darstellung der Klägerin gerade nicht zu erfüllen. Es genügte die Besichtigung durch einen Statiker ohne zeichnerische Lösung oder Tragfähigkeitsnachweis (Bd. I Bl. 146 d.A.; Anlage K23; Bd. II Bl. 20 d.A.).

Letztlich handelt es sich beim Vertrieb und bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen um ein Massengeschäft, das zweifelsohne nicht einfach ist, allerdings keine besonderen Fachkenntnisse erfordert (Schneidewindt aaO.). Das belegt für den hier streitigen Vertrag das Vorbringen der Klägerin, wonach sie für die Montagearbeiten auf sog. Minijobber und Leiharbeiter zurückgreifen kann (Bd. I Bl. 11; Bd. II Bl. 6/7 d.A.). Das spricht für standardisierte, weniger anspruchsvolle Routinehandgriffe.

Die durch die Nebenbestimmung zum Vertrag vom 28. 10. 2011 (Bd. II Bl. 27 d.A.) in den “Gesamtkaufpreis” einbezogene Dachsanierung führt nicht dazu, den kaufrechtlichen Schwerpunkt zu verneinen. Dieser Teil der vertraglichen Leistung der Klägerin ist derart geringfügig, dass er vom Kaufvertrag mit Montageverpflichtung konsumiert wurde, wofür nicht zuletzt die Nebenbestimmung selbst spricht. Andernfalls hätte die Klägerin nur für die Dachsanierung eine Bauhandwerkersicherung verlangen können, was sie allerdings ersichtlich nicht wollte und was sie im Ergebnis auch nicht zur Kündigung des ganzen Vertrages berechtigt hätte.

Der Hinweis der Klägerin auf den Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 9. 12. 2013, wonach Werklieferungen von Photovoltaikanlagen als Auf-Dach-Anlagen Bauleistungen i.S.v. § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStG sind (DStR 2013, 2764; so auch das Hessische Finanzgericht im Urteil vom 26. 9. 2013, 1 K 2198/11), belegt keinen Werkvertrag. Bauleistungen werden im Umsatzsteuerrecht weit verstanden. Sie beschränken sich nicht auf Dienstleistungen, sondern umfassen auch Lieferungen von Gegenständen, die sog. Werklieferungen i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 1UStG (EuGH, Urteil vom 13. 12. 2012, C 395/11 – BeckRS 2012, 82646; Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, 70. Erglfg., § 13b UStG Rdn. 32). Erfolgt die Lieferung zu verarbeitender Gegenständen bauwerksbezogen, ist dies umsatzsteuerrechtlich eine Bauleistung, ohne dass dem ein Werkvertrag zugrunde liegen muss. Es kann auch ein Liefer- (Kauf-) vertrag mit Montageverpflichtung bestehen.

Eine analoge Anwendung des § 648a BGB auf Kaufverträge mit Montageverpflichtung schließt der Senat aus. Es besteht keine planwidrige Lücke. Der Gesetzgeber änderte in der Vergangenheit § 648a BGB mehrfach, ohne ähnliche Vorschriften in das Kaufrecht einzufügen.

b) Das Landgericht hat die Photovoltaikanlagen als Teil des jeweiligen Gebäudes betrachtet, auf dem sie errichtet wurden. Auch dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Dem Vertrag der Parteien fehlt es für den Anspruch der Kläger auf eine Bauhandwerkersicherheit auch am erforderlichen Bauwerksbezug.

Die Sicherstellung nach § 648a BGB kann nur der Unternehmer verlangen, dessen Leistungspflicht u.a. ein Bauwerk oder Teile davon betrifft (Palandt/Sprau, § 648a Rdn. 6). Bauwerke sind durch Verwendung von Arbeit und Material mit dem Erdboden verbundene unbewegliche Sachen (BGH NJW 2013, 601, 602 [BGH 20.12.2012 – VII ZR 182/10]; NJW-RR 2003, 1320 [BGH 20.05.2003 – X ZR 57/02]). Auch technische Anlagen können ein Bauwerk sein, wenn sie ortsfest, d.h. dauernd mit dem Boden verbunden sind und nach ihrer Art spezielle Bauwerksrisiken aufweisen, was bei Photovoltaik-Freianlagen unzweifelhaft der Fall ist (Taplan/Baumgartner MDR 2012, 1323 unter Hinweis auf OLG Bamberg MDR 2012, 904 f.).

Auf-Dach-Anlagen fehlt dagegen die Verbindung mit dem Boden. Die mittelbare Verbindung über das Gebäude genügt, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nicht (OLG Oldenburg, Urteil vom 22. 1. 2013, 2 U 47/12 – BeckRS 2013, 12866; Taplan/Baumgartner MDR 2012, 1323, 1325). Photovoltaik-Dachanlagen können nur Teil eines Gebäudes werden, wenn sie für dessen Bestand Bedeutung gewinnen, weil sie seiner Versorgung dienen (BGH NJW-RR 1998, 89 [BGH 15.05.1997 – VII ZR 287/95]; 2002, 664, 665 m.w.N.; 2003, 1320, 1321). Daran fehlt es der Anlage der Klägerin, da sie ausschließlich für die Stromeinspeisung in das öffentliche Netz bestimmt war, die Gebäude also nicht von ihr profitierten, sondern lediglich die Funktion von Trägern übernehmen sollten. Unter diesen Bedingungen hat es auch der Bundesgerichtshof abgelehnt, Auf-Dach-Anlagen als Bauwerk zu behandeln (BGH, Urteil vom 9. 10. 2013, VIII ZR 318/12 – BeckRS 2013, 21219).

Die Klägerin hält dem im Schriftsatz vom 6. 2. 2014 zu Unrecht entgegen, die Anlage habe durchaus auch Strom für die jeweilige Halle liefern können. Damit wird von der konkreten vertraglichen Zwecksetzung und von den übernommenen Pflichten der Klägerin abstrahiert. Der Vertrag der Parteien sah keine Versorgung der Gebäude durch den Solarstrom vor und nur darauf kommt es an.

3. Andere Gründe, von der Beklagten zu 1. Sicherheit zu verlangen und sich mit Schreiben vom 16. 12. 2011 vom Vertrag zu lösen, standen der Klägerin nicht zur Verfügung.

a) Die Klägerin verweist ohne Erfolg auf den letzten Satz des § 8 des Vertrages vom 28. 10. 2011. Dort versicherte die Beklagte zu 1. lediglich, über ihre Komplementärin Zugang zu weiteren Sicherheiten zu haben. Die Beklagte zu 1. übernahm damit keinerlei Verpflichtung. Außerdem befasst sich § 8, worauf schon das Landgericht im angefochtenen Urteil hinweist, ausschließlich mit Sicherheiten für die Stadtsparkasse W.. Die Erklärung der Beklagten zu 1. richtete sich demnach nicht einmal an die Klägerin.

b) Die Unsicherheitseinrede (§ 321 BGB) hat die Klägerin erstmals mit dem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. 12. 2011 erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie das Vertragsverhältnis bereits gekündigt.

Die Erklärungen der Klägerin bis zur Kündigung lassen sich schwerlich im Sinne von § 321 BGB interpretieren oder über § 140 BGB in ein dahingehendes Vorgehen umdeuten. Es ist nicht einmal vorgetragen, welche Gründe die Klägerin dazu veranlassten, von der Beklagten zu 1. die Bauhandwerkersicherung zu verlangen. Aus dem Schreiben des Klägervertreters vom 2. 12. 2011 geht nicht eindeutig hervor, dass die Klägerin nach Vertragsabschluss ihren Kaufpreisanspruch durch mangelnde Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1. als gefährdet erkannte. Die Klägerin berief sich auch nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht und stellte die Beklagte vor die Wahl, die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten. Die Klägerin ist schließlich auch nicht zurückgetreten. Sie wollte sich mit der Kündigung ihren Vergütungsanspruch erhalten und nicht das Vertragsverhältnis rückabwickeln. § 321 BGB taugt zu guter Letzt also schon deshalb nicht zum Ersatzgeschäft, weil seine Wirkungen weiter reichen würden, als die erfolglos verlangte Bauhandwerkersicherung. Spätestens an dieser Stelle stößt die Klägerin mit ihrer Auffassung an die Grenzen der Umdeutung.

4. Der Kaufpreisanspruch der Klägerin ist nach alledem untergegangen.

Die wirkungslose Kündigung der Klägerin vom 16. 12. 2011, mit der ausdrücklich die “weitere Leistungserbringung” verweigert wurde, stellte eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1, Abs. 2 BGB die Beklagte zu 1. berechtigte, Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen. Auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB konnte sich die Klägerin anschließend nicht mehr berufen. Wie im Falle des § 320 BGB (vgl. BGH NJW 2010, 1272, 1274 [BGH 11.12.2009 – V ZR 217/08]; Emmerich, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 320 Rdn. 28; Palandt/Grüneberg, § 320 Rdn. 6) kann nur die vertragstreue Partei die Unsicherheitseinrede erheben. Die Klägerin hatte sich aber schon vom Vertrag gelöst und verhielte sich zumindest widersprüchlich (§ 242 BGB), wollte sie die Beklagte zu 1. dennoch zur Zahlung oder Sicherheitsleistung veranlassen.

Die Beklagte zu 1. hat von der Klägerin Schadensersatz verlangt. Dieser Anspruch war bereits Gegenstand ihrer Schreiben vom 19. und 20. 12. 2011. Im Prozess nahm die Beklagte zu 1. die Klägerin mit der Widerklage (Schriftsatz vom 5. 9. 2012) sodann ausdrücklich auf Schadensersatz in Anspruch.

Damit hat sich das Vertragsverhältnis der Parteien in eine einseitige, auf Schadensersatz gerichtete Abrechnungsbeziehung gewandelt, in der die zu erbringende Leistung, die ersparte Gegenleistung, bereits gelieferte Komponenten, ersparte Aufwendungen und entstandene Folgeschäden zu bloßen Rechnungsposten im Gesamtvermögensvergleich geworden sind und nicht mehr isoliert geltend gemacht werden können (BGH NJW 1983, 1605 [BGH 25.03.1983 – V ZR 168/81]; 1999, 3625 f.; 2001, 3535, 3536). Der Erfüllungsanspruch er Klägerin erlosch (Palandt/Grüneberg, § 281 Rdn. 52).

5. Nichts anders gilt für die von der Klägerin an die Beklagte zu 1. gezahlten 170.000,00 EUR. Dieser in § 7 Abs. 2 des Vertrages geregelte Leistungsfähigkeitsnachweis hatte nach dem Vorbringen der Klägerin quasi die Funktion einer Vertragserfüllungssicherheit.

Ob dies zutrifft oder eher eine Draufgabe oder Vertragsstrafe gewollt war, kann an dieser Stelle offen bleiben. Jedenfalls besteht zwischen den vertraglichen Leistungspflichten der Klägerin und der Zahlung ein unmittelbarer Zusammenhang, der es verbietet, die 170.000,00 EUR isoliert zu behandeln und nicht in die schadensersatzrechtliche Gesamtabrechnung einzubeziehen.

6. Nach alledem ist die Klage auf den Hauptantrag der Beklagten zu 1. abzuweisen. Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien auch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung diskutierte, greift der Einwand der Beklagten zu 1. durch, dem läge eine zu weite Sicht des Streitgegenstandes zugrunde. In der Tat verfolgt die Klägerin keinen, sich aus dem Abrechnungsverhältnis ergebenden prozessualen Anspruch.

Wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen, kann das Ergebnis des Schadensersatzverlangens der Beklagten zu 1. auch ein Überschuss zugunsten der Klägerin sein, der ihr einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1. verliehe (§§ 281 Abs. 5, 346 ff., 812 ff. BGB; BGH NJW 2000, 278, 279 [BGH 01.10.1999 – V ZR 162/98]; Palandt/Grüneberg, § 281 Rdn. 20). Dies ist – entgegen der ursprünglichen Annahme des Senats – allerdings nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und die Klägerin als Berufungsbeklagte ist in zweiter Instanz nicht mehr in der Lage, sich auf einen neuen Klagegrund zu stützen, mithin die Klage zu ändern. Die Klageänderung setzt in zweiter Instanz die Einlegung des Rechtsmittels oder eine statthafte Anschließung nach § 524 ZPO voraus (Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 533 Rdn. 4).

Gegenstand des Rechtsstreits ist die vom Kläger aufgestellte Rechtsfolgenbehauptung als der geltend gemachte prozessuale Anspruch. Er wird hier durch den Zahlungsantrag und den Lebenssachverhalt (Klagegrund i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bestimmt, aus dem die Klägerin diese Rechtsfolge herleitet (BGH NJW 2003, 2317, 2318 [BGH 03.04.2003 – I ZR 1/01]; 2010, 2210, 2211). Der Klagegrund umfasst nicht nur die eine Anspruchsgrundlage ausfüllenden Tatsachen, sondern den gesamten zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex, wie ihn die Klägerin zur Stütze ihres Rechtsschutzbegehrens vorgetragen hat (BGH NJW 2007, 2560, 2561 [BGH 08.05.2007 – XI ZR 278/06] m.w.N.; 2013, 540, 541 f. m.w.N.). Da die Klägerin Erfüllung in Form der Zahlung des Kaufpreises oder der Vergütung und die Rückerstattung des Leistungsfähigkeitsnachweises begehrt, bildet der insoweit dargelegte Sachverhalt den Klagegrund. Diese Tatsachen verhelfen der Klägerin allerdings nicht zum Erfolg. Gleichwohl lässt sich auch mit ihrer Hilfe das Zahlungsbegehren rechtfertigen, wenn die Klägerin zusätzlich die eigene Schadensersatzpflicht akzeptieren und vortragen würde, nach Abrechnung der Vertragsbeziehung der Parteien verbleibe ausnahmsweise ein Saldo zu ihren Gunsten. Damit stünde allerdings ein anderer Sachverhalt zur Entscheidung. Die Identität des Klagegrundes ist nicht mehr gewahrt, wenn die neuen Tatsachen über eine Erläuterung oder Berichtigung hinausgehen und den Kern des bisher die Klage tragenden Sachverhalts verändern (BGH NJW 2007, 83, 84 [BGH 11.10.2006 – KZR 45/05]). Das ist beim Übergang vom Erfüllungs- zum Schadensersatzanspruch, noch dazu wenn es um Ansprüche des Schadensersatzpflichtigen geht, der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 u. 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt.

Krause

Worum geht es in dem Urteil?

Im vorliegenden Urteil hatte das Oberlandesgericht über die Frage zu entscheiden, wie ein Vertrag über die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf einem Dach einzuordnen ist. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich hierbei regelmäßig um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung.

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