BGH, Beschluss vom 08.05.2007, Az. VIII ZR 19/05

Leitsatz:

Ein Sachmangel stellt eine unerhebliche Pflichtverletzung dar, die den Käufer gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht zum Rücktritt berechtigt, wenn er im Sinne von § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF den Wert oder die Tauglichkeit der Kaufsache nur unerheblich mindert. Bei einer Abweichung des Kraftstoffverbrauchs eines verkauften Neufahrzeugs von den Herstellerangaben um weniger als 10 % ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag daher ausgeschlossen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 18. Juni 1997 – VIII ZR 52/96 , BGHZ 136, 94).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 15. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 20.381,39 €.

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat angenommen, eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit einer Kaufsache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF sei gleichzusetzen mit einer unerheblichen Pflichtverletzung, die gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht zum Rücktritt berechtigt. Daraus hat es abgeleitet, dass der Verkäufer, der ein Neufahrzeug liefert, dessen Kraftstoffverbrauch die Herstellerangaben um weniger als 10 % im Durchschnitt der Fahrzyklen nach der EG-Richtlinie 80/1268 EWG in der Fassung 1999/100/EG überschreitet, nur eine unerhebliche Pflichtverletzung begeht, aufgrund derer ein Rücktritt des Käufers ausgeschlossen ist. An der Richtigkeit dieser Beurteilung bestehen keine Zweifel.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 132, 55; 136, 94) stellt es nur eine unerhebliche Minderung des Fahrzeugswerts im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF dar, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 % von den Herstellerangaben abweicht, wobei die Abweichung vom Durchschnittswert maßgeblich ist, wenn sich die Herstellerangaben auf verschiedene Fahrzyklen beziehen. Aus den Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drs. 14/6040 S. 222 f.) ergibt sich eindeutig, dass § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gerade in den früheren Fällen des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF Anwendung finden soll. Soweit im Schrifttum vertreten wird, die Rechtsprechung zum erhöhten Kraftstoffverbrauch nach altem Recht sei auf das neue Recht nicht übertragbar (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 250 f.), gilt dies nur für die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs als solche, für die nach geltendem Recht (§ 434 BGB) anders als nach § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF eine Erheblichkeitsschwelle nicht mehr überschritten zu sein braucht, aber nicht für die Frage, wann nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB das Rücktrittsrecht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es für die Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung nicht darauf an, ob die Messverfahren nach der EG-Richtlinie 80/1268 EWG in der Fassung 1999/100/EG realitätsnäher sind als die früher maßgeblichen Prüfverfahren, die in den durch die oben genannten Urteile des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fällen angewandt worden sind. Die Grenze von 10 % ist keine technische oder physikalische Toleranzgrenze, die sich an Messungenauigkeiten oder Fertigungstoleranzen orientiert. Entscheidend sind vielmehr – ausgehend vom Maßstab des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF – die Auswirkungen, die der Kraftstoffmehrverbrauch für den Käufer im Hinblick auf den Wert des Fahrzeugs hat (BGHZ 136, 94, 98 f.). Diese sind, wie oben ausgeführt, auch für die Beantwortung der Frage maßgeblich, ob eine nachteilige Abweichung von der nach § 434 BGB geschuldeten Beschaffenheit des Fahrzeugs eine unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB darstellt. Letzteres hat das Berufungsgericht bei dem von ihm festgestellten Kraftstoffmehrverbrauch von 11 % im städtischen Verkehr, 7 % im außerstädtischen Verkehr und 6 % im Durchschnitt der Fahrzyklen nach alledem zutreffend angenommen.

Ball, Wiechers, Hermanns, Dr. Milger, Dr. Koch,

 

Vorinstanzen:

LG Flensburg, Entscheidung vom 01.09.2003 – 8 O 112/03 –

OLG Schleswig, Entscheidung vom 15.12.2004 – 9 U 120/03 –

Worum geht es in dem Urteil?

Im vorliegenden Fall hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, wann ein zu hoher Kraftstoffverbrauch einen Sachmangel darstellt und wann dieser erheblich ist. Der Bundesgerichtshof formuliert hier seine berühmte 10-Prozent-Regelung (siehe Leitsatz).

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