Wann ist ein Auto „unfallfrei“ und welche Rechte bestehen?
1. Was bedeutet der Begriff “Unfallfrei”?
Viele Fahrzeuge werden im Kaufvertrag als “unfallfrei” bezeichnet. Für Käufer sind unfallfreie Autos besonders interessant, weil sie einen deutlichen höheren Marktwert als vergleichbare Fahrzeuge haben.
Tatsächlich kommt es jedoch häufig vor, dass weder der Käufer noch der Verkäufer genau wissen, was der Begriff “Unfallfrei” eigentlich bedeutet. Im Nachhinein enden daher zahlreiche Vertragsschlüsse vor Gericht.
Wichtig: Nicht jeder Unfall führt dazu, dass ein Auto zu einem Unfallfahrzeug wird. Nur wenn durch den Unfall mehr als ein Bagatellschaden entstanden ist, ist das Auto nicht mehr “unfallfrei”!
Wann ein bloßer Bagatellschaden anzunehmen ist, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt:
» Nach dem Bundesgerichtshof liegt ein Bagatellschaden vor, wenn nur ganz geringfügige, äußere Lackschäden vorhanden sind. Bei anderen Schäden (Blechschäden, usw.) ist ein Bagatellschaden ausgeschlossen, sogar wenn der Reparaturaufwand gering ist. (BGH, Urteil vom 10.10.2007, Az. VIII ZR 330/06)
» Dagegen bejaht das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Bagatellschaden auch noch dann, wenn geringfügige Blechschäden entstanden sind. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2008, Az. 1 U 169/07)
Für die Eigenschaft “Unfallfrei” kommt es daneben auch auf die Reparaturkosten an. Beispiele:
» Bei einem drei Jahre alten Fahrzeug und Reparaturkosten von 1.020 EUR verneint der Bundesgerichtshof einen Bagatellschaden. (BGH, Urteil vom 12.03.2008, Az. VIII ZR 253/05)
» Bei einem neuwertigen Fahrzeug und Reparaturkosten von 400 bis 450 EUR wurde vom Landgericht Karlsruhe ein Bagatellschaden verneint. (Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2005, Az. 8 O 614/04)
2. Das Auto ist nicht unfallfrei: Welche Rechte haben Käufer?
Viele Käufer bemerken bei einer Inspektion oder Reparatur, dass das gekaufte Auto in Wirklichkeit nicht unfallfrei ist. Welche Rechte der Käufer dann hat, hängt immer vom jeweiligen Kaufvertrag ab! Die Unfallfreiheit kann im Kaufvertrag nämlich auf zwei unterschiedliche Arten geregelt werden:
» Möglichkeit 1: “Das Auto ist unfallfrei.”
» Möglichkeit 2: “Unfallfrei laut Vorbesitzer.”
Wichtig: Beide Formulierungen unterscheiden sind nur geringfügig. Der rechtliche Unterschied ist jedoch erheblich! Im Folgenden erfahren Sie, was diesen Unterschied ausmacht.
3. Unbeschränkte Angabe als “unfallfrei”: Welche Rechte bestehen?
Wird ein Fahrzeug im Kaufvertrag ohne Einschränkung als unfallfrei bezeichnet, so ist dies rechtlich bindend! Nach der Rechtsprechung handelt es sich hierbei um eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung.
» OLG Jena, Urteil vom 20.12.2007, Az. 1 U 535/06
» LG Heidelberg, Urteil vom 28.01.2015, Az. 1 S 22/13
Durch den Begriff “Unfallfrei” verspricht der Verkäufer verbindlich, dass das Fahrzeug keinen Unfall hatte, bei dem mehr als einen Bagatellschaden entstanden ist. Ist das Auto in Wirklichkeit nicht unfallfrei ist, so liegt ein Sachmangel vor. Die vereinbarte Beschaffenheit wurde nämlich nicht eingehalten.
Der Käufer kann dann seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend machen. Hierbei kann sich der Käufer auf folgende Ansprüche berufen:
» Nacherfüllung (Reparatur oder Neulieferung): Das Gesetz gibt dem Käufer die freie Wahl zwischen Reparatur oder Neulieferung (§ 439 I BGB). Da es sich hier aber gerade um einen irreparablen Schaden handelt, scheidet der Anspruch auf Reparatur von vornherein aus. Der Anspruch auf Ersatzlieferung eines vergleichbaren Autos ist dagegen prinzipiell möglich. Voraussetzung ist aber, dass das Auto von einem Händler gekauft wurde und auf dem freien Markt genügend unfallfreie Modelle erhältlich sind.
» Rücktritt.
» Minderung.
» Schadenersatz.
Sehr wichtig: Der Käufer kann seine Gewährleistungsrechte sogar dann geltend machen, wenn im Vertrag ein Gewährleistungsausschluss enthalten ist. Eine Vereinbarung über die Beschaffenheit hat nämlich immer Vorrang und verdrängt jeden Ausschluss der Gewährleistung! (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 96/12)
Sofern der Verkäufer den Käufer arglistig getäuscht hat, kann der Kaufvertrag auch angefochten werden. Das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung steht selbstständig neben den Gewährleistungsrechten.
4. “Unfallfrei laut Vorbesitzer”: Welche Rechte bestehen?
Wird das verkaufte Fahrzeug nur “laut Vorbesitzer” als unfallfrei bezeichnet, so liegt gerade keine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Nach der Rechtsprechung besteht nur eine unverbindliche Wissensmitteilung. (BGH, Urteil vom 12.03.2008, Az. VIII ZR 253/05)
Bei einer Angabe “laut Vorbesitzer” ist es daher möglich, die Gewährleistung auszuschließen. Erforderlich ist nur, dass der Gewährleistungsausschluss die gesetzlichen Regeln einhält. Der Käufer kann dann keine Gewährleistungsrechte geltend machen, falls das Auto in Wirklichkeit ein Unfallfahrzeug sein sollte.
» Wichtige Ausnahme: Bei einem wirksamen Ausschluss der Gewährleistung hat der Käufer ausnahmsweise Ansprüche, wenn der Verkäufer über die Unfallfreiheit arglistig getäuscht hat. Der Käufer kann den Vertrag dann insbesondere nach § 123 BGB anfechten und den Kaufpreis zurückverlangen. Für eine wirksame Anfechtung muss der Käufer allerdings beweisen, dass der Verkäufer vorsätzlich gehandelt hat.
» Bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern liegt eine arglistige Täuschung bereits dann vor, wenn der Verkäufer das Fahrzeug ohne vorherige Überprüfung als “unfallfrei” bezeichnet und den Käufer über die fehlende Untersuchung nicht aufgeklärt hat. (BGH, Urteil vom 07.06.2006, Az. VIII ZR 209/05)
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Über den Autor
Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die günstige Anbindung an Autobahnen, den Schienenverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten. Das Vertragsrecht und das Recht des Autokaufs gehören dabei zu den wichtigsten Rechtsgebieten.
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Christian D. Franz, Rechtsanwalt