Wann ist ein Fahrzeug „unfallfrei“?
Rechte und Pflichten beim Autokauf
THEMEN: Unfallfrei | Bagatellschaden | Vorschäden | Gewährleistung | Haftungsausschluss

Unfallfrei oder Bagatellschaden?
Einleitung zum Begriff „unfallfrei“
Viele Fahrzeuge werden im Kaufvertrag oder in Verkaufsanzeigen als „unfallfrei“ bezeichnet. Für Käufer sind unfallfreie Autos besonders interessant, weil sie einen deutlich höheren Marktwert als Unfallfahrzeuge haben. Zugleich versprechen unfallfreie Fahrzeuge eine höhere Verkehrssicherheit.
Immer wieder kommt es aber vor, dass weder der Käufer noch der Verkäufer genau wissen, was der Begriff „unfallfrei“ eigentlich bedeutet. Im Nachhinein enden daher zahlreiche Vertragsschlüsse vor Gericht.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wann ein Fahrzeug unfallfrei ist und wie sich bloße Bagatellschäden auf die Unfallfreiheit auswirken.
Weiterhin wird erklärt, welche Rechte bestehen, wenn ein Auto oder sonstiges Fahrzeug im Kaufvertrag als „unfallfrei“ bezeichnet wird.
„Unfallfrei“ bei Privatverkauf und Kauf vom Händler
Der Begriff „unfallfrei“ hat bei einem Privatverkauf dieselbe Bedeutung wie bei Kaufverträgen mit einem Händler. Relevante Unterschiede bestehen hier nicht.
1. Wann ist ein Fahrzeug „unfallfrei“?
a) Unfallfrei trotz Unfall? Problematik des Bagatellschadens
Nicht jeder Unfall im Straßenverkehr führt dazu, dass ein Auto zu einem Unfallfahrzeug wird. Nur wenn durch den Unfall mehr als ein Bagatellschaden entstanden ist, ist das Auto nicht länger „unfallfrei”!
⚠ Wichtig: Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Fahrzeug trotz Unfalls noch als unfallfrei gilt, wenn lediglich ein Bagatellschaden eingetreten ist.
Urteil (enge Grenzen für Bagatellschäden)
Bei der Annahme eines Bagatellschadens ist die Rechtsprechung schon immer sehr streng.
„Die Grenze für nicht mitteilungspflichtige „Bagatellschäden“ ist bei Personenkraftwagen sehr eng zu ziehen. Als „Bagatellschäden“ hat der Senat bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-) Schäden anerkannt, nicht dagegen andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering (in einem Falle aus dem Jahre 1961 332,55 DM) war […]. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist, ist nicht von Bedeutung […]. Alleine die Tatsache, dass das Fahrzeug bei einem Unfall einen erheblichen Schaden erlitten hat, stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar. Auch beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist.“
BGH, Urteil vom 10.10. 2007, Az. VIII ZR 330/06.
b) Wann liegt ein Bagatellschaden vor?
Für die Abgrenzung eines Unfallfahrzeugs von einem unfallfreien Fahrzeug kommt es danach entscheidend darauf an, was ein bloßer Bagatellschaden ist.
Die Voraussetzungen für einen Bagatellschaden werden von den Gerichten unterschiedlich beurteilt:
- Nach dem Bundesgerichtshof liegt ein Bagatellschaden vor, wenn insbesondere nur ganz geringfügige, äußere Lackschäden entstanden sind. Bei anderen Schäden (Blechschäden usw.) ist ein Bagatellschaden ausgeschlossen, auch wenn der Reparaturaufwand gering ist. (BGH, Urteil vom 10.10.2007, Az. VIII ZR 330/06.)
- Dagegen bejaht das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Bagatellschaden auch noch dann, wenn geringfügige Blechschäden entstanden sind. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2008, Az. 1 U 169/07.)
Für die Eigenschaft „unfallfrei“ kommt es auch auf die Höhe der Reparaturkosten an. Aus der Rechtsprechung sind folgende Beispiele zu nennen:
- Bei einem drei Jahre alten Fahrzeug und Reparaturkosten von 1.020 EUR verneint der Bundesgerichtshof einen Bagatellschaden. Ein solches Fahrzeug sei nicht „unfallfrei“ (BGH, Urteil vom 12.03.2008, Az. VIII ZR 253/05).
- Bei einem neuwertigen Fahrzeug und Reparaturkosten von 400 bis 450 EUR wurde vom Landgericht Karlsruhe ein Bagatellschaden und eine Unfallfreiheit verneint (LG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2005, Az. 8 O 614/04).
Im Ergebnis ist ein Bagatellschaden daher regelmäßig zu verneinen, sobald die Reparaturkosten im gehobenen dreistelligen Bereich liegen. Solche Fahrzeuge sind auch bei fachgerechter Reparatur nicht „unfallfrei“, sondern gelten als Unfallfahrzeuge.
Urteil (Reparaturkosten und Bagatellschaden)
„Die Reichweite der Garantie bzw. Beschaffenheitsvereinbarung richtet sich nach einer Auslegung des Wortes „unfallfrei“. Nach dem Oberlandesgericht Köln bedeutet dies, dass das Fahrzeug keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist, wobei geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler aus dem Begriff ausgeklammert werden […]. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien bzw. den Beklagtenvortrag unterstellt, ist das streitgegenständliche Kraftfahrzeug nicht unfallfrei in diesem Sinne. Die Reparaturkosten lagen netto bei knapp 800,00 EUR. Legt man zugrunde, dass nach dem Vortrag der Beklagten eine ebenso effektive günstigere Reparatur für EUR 400,00 bis 450,00 hätte durchgeführt werden können, ist auch dieser Betrag nicht unerheblich.“
LG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2005, Az. 8 O 614/04.
2. Das Auto ist nicht unfallfrei: Welche Rechte haben Käufer?
Viele Käufer bemerken erst bei einer Inspektion oder Reparatur, dass das gekaufte Auto in Wirklichkeit nicht unfallfrei ist. Welche Rechte der Käufer dann hat, hängt immer vom jeweiligen Kaufvertrag ab.
Die Unfallfreiheit kann im Kaufvertrag auf zwei unterschiedliche Arten geregelt werden:
Möglichkeit 1: Im Kaufvertrag wird die Unfallfreiheit uneingeschränkt bejaht. Dies kann zum Beispiel durch folgende Klauseln geschehen:
- „Das Auto ist unfallfrei“,
- Angabe: „unfallfrei: ja“.
Möglichkeit 2: Im Kaufvertrag erfolgt die Bezeichnung „unfallfrei laut Vorbesitzer” oder eine ähnliche Formulierung.
⚠ Wichtig: Beide Formulierungen unterscheiden sind nur geringfügig. Der rechtliche Unterschied ist jedoch erheblich! Im Folgenden erfahren Sie, was diesen Unterschied ausmacht.
3. Unbeschränkte Angabe als „unfallfrei“: Rechte des Käufers
a) Beschaffenheitsvereinbarung „unfallfrei“
Wird ein Fahrzeug im Kaufvertrag ohne Einschränkung als unfallfrei bezeichnet, ist dies rechtlich bindend. Nach der Rechtsprechung handelt es sich hierbei um eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung, teilweise wird sogar eine Garantie angenommen.
- OLG Jena, Urteil vom 20.12.2007, Az. 1 U 535/06.
- LG Heidelberg, Urteil vom 28.01.2015, Az. 1 S 22/13.
Auch mündliche Vereinbarung sind verbindlich!
Enthält der schriftliche Kaufvertrag keine Angabe zur Unfallfreiheit, kann durch eine mündliche Abrede dennoch eine wirksame Vereinbarung vorliegen. Dasselbe gilt für Angaben über das Telefon oder WhatsApp.
Nicht in den Kaufvertrag aufgenommene Angaben über die Unfallfreiheit hat der Käufer zu beweisen.
Dazu das OLG Rostock in einem Berufungsurteil:
“Das Landgericht bewertet die Frage einer verschuldensunabhängigen Haftung des Beklagten für eine Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften Pkw Passat gem. § 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB a. F. im Ergebnis zutreffend. Es gelangt unter nicht zu beanstandender Würdigung der Aussagen der diesbezüglich vernommenen Zeugen … und F4. L4. zu dem Schluss, dass die Unfallfreiheit des Fahrzeuges mündlich zugesichert worden ist.“
OLG Rostock, Urteil vom 17.12.2003, Az. 6 U 227/02.
b) Mängelrechte bei fehlender Unfallfreiheit
Durch den Begriff „unfallfrei“ verspricht der Verkäufer verbindlich, dass das Fahrzeug keinen Unfall hatte, bei dem mehr als ein Bagatellschaden entstanden ist. Ist das Auto in Wirklichkeit nicht unfallfrei, liegt ein Sachmangel vor. Die vereinbarte Beschaffenheit wurde nämlich nicht eingehalten.
Der Käufer kann dann seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend machen.
⚠ Sehr wichtig: Der Käufer kann seine Gewährleistungsrechte auch dann geltend machen, wenn im Vertrag ein Gewährleistungsausschluss enthalten ist. Eine Vereinbarung über die Beschaffenheit hat nämlich immer Vorrang und verdrängt jeden Ausschluss der Gewährleistung! (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 96/12.)
Im einzelnen kann sich der Käufer auf folgende Ansprüche berufen:
Nacherfüllung (Reparatur oder Neulieferung):
Das Gesetz gibt dem Käufer die freie Wahl zwischen Reparatur oder Neulieferung (§ 439 Abs. 1 BGB). Da es sich bei der Unfallfreiheit aber gerade um einen irreparablen Schaden handelt, scheidet der Anspruch auf Reparatur von vornherein aus.
Der Anspruch auf Ersatzlieferung eines vergleichbaren Autos ist dagegen prinzipiell möglich. Voraussetzung ist aber, dass das Auto von einem Händler gekauft wurde und auf dem freien Markt genügend unfallfreie Modelle erhältlich sind.
Rücktritt vom Kaufvertrag:
Der Käufer kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn er an dem Unfallfahrzeug kein Interesse hat. Hierdurch wird der Kaufvertrag rückabgewickelt. Der Käufer hat also einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und muss im Gegenzug das Fahrzeug zurückgeben.
Minderung der Kaufpreises:
Statt eines Rücktritts kann der Käufer den Kaufpreis mindern. Hierdurch wird der Kaufpreis nachträglich reduziert. Der Käufer hat so gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Zahlung des Minderungsbetrages. Maßgeblich ist dabei der Betrag vom Verkäufer verlangen.
Für die Höhe der Minderung wegen mangelnder Unfallfreiheit bestimmt das Gesetz in § 441 Abs. 3 BGB:
„Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.“
Schadensersatz:
Denkbar ist schließlich auch, dass der Käufer vom Verkäufer Schadensersatz verlangen kann. Dies gilt insbesondere für den merkantilen Minderwert infolge der fehlenden Unfallfreiheit.
Eine wichtige Schadensart gerade im Händlergeschäft ist daneben der entgangene Gewinn. Scheitert eine gewinnbringender Weiterverkauf zum Beispiel daran, dass das Fahrzeug nicht unfallfrei ist, kann der Käufer den entgangenen Gewinn als Schaden ersetzt verlangen.
c) Sonderkonstellation: Arglistige Täuschung über Unfallfreiheit
Die fehlerhafte Zusicherung der Eigenschaft „unfallfrei“ erfolgt nicht zwangsläufig in böser Absicht. Immer wieder kommt es aber sehr wohl vor, dass Verkäufer zur Unfallfreiheit bewusst falsche Angaben machen.
Vorsätzliche Falschangaben stellen eine arglistige Täuschung dar. Durch eine solche arglistige Täuschung wird jeder Haftungsausschluss verdrängt (§ 444 BGB). Der Verkäufer kann sich also nicht darauf berufen, dass im Kaufvertrag die Gewährleistung ausgeschlossen wurde.
Sofern der Verkäufer den Käufer arglistig getäuscht hat, kann der Kaufvertrag auch angefochten werden. Das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung steht eigenständig neben den Gewährleistungsrechten des Käufers.
Durch die Anfechtung wird der Kaufvertrag unwirksam. Der Käufer erhält hierdurch einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Achtung bei Inseraten und Verkaufsanzeigen
Eine arglistige Täuschung kann insbesondere auch dann vorliegen, wenn der Verkäufer in einer Verkaufsanzeige (z.B. im Internet auf mobile.de) falsche Angaben macht und diese vor Unterzeichnung des Kaufvertrages nicht korrigiert.
Zu einem solchen Fall hat das Landgericht Heidelberg wie folgt geurteilt:
„Der Beklagte hat dem Kläger den Schaden an dem Fahrzeug arglistig verschwiegen. Arglist setzt kein zielgerichtetes oder verwerfliches Verhalten voraus. Es genügt, wenn der Verkäufer ins Blaue hinein Angaben ggü. dem Käufer macht, die sich später als falsch herausstellen. Der Beklagte hat hier das streitgegenständliche Fahrzeug in der Internetanzeige v. 13.5.2010 als unfallfrei beworben. Dies mag, wenn man den Ausführungen des Bekl. zur Häufigkeit und Fehleranfälligkeit von Internetanzeigen folgt, eine versehentliche Falschangabe gewesen sein. Wenn der Beklagte jedoch auf dieses ihm als fehleranfällig bekannte Medium zur Platzierung von Anzeigen zurückgreift, gibt er seine Angaben ins Blaue hinein, nämlich ohne genaue Prüfung, ab.
Dies genügt für die Annahme von Arglist. Auf Grund der Anzeige war also bei Vertragsschluss klar, dass der Kläger mit der von dem Beklagten hervorgerufenen Vorstellung in die Kaufvertragsverhandlungen ging, dass es sich um ein Fahrzeug handelte, das noch keine größeren Schäden erlitten hatte. Der Beklagte wäre nunmehr verpflichtet gewesen, seine fehlerhaften Angaben in der Verkaufsanzeige in den Kaufvertragsverhandlungen zu korrigieren. Dies hat er nicht getan. […]”
LG Heidelberg, Urteil vom 28.01.2015, Az. 1 S 22/13.
4. “Unfallfrei laut Vorbesitzer”: Welche Rechte bestehen?
a) Reine Wissensangabe bei „unfallfrei laut Vorbesitzer“
Wird das verkaufte Fahrzeug nur “laut Vorbesitzer” als unfallfrei bezeichnet, liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung. Nach der Rechtsprechung besteht nur eine unverbindliche Wissensmitteilung.
Der Verkäufer gibt gerade keine eigene Erklärung zur Unfallfreiheit ab, sondern teilt lediglich die Angaben des Vorbesitzers mit. Der Käufer darf daher nicht erwarten, dass der Verkäufer für die Richtigkeit dieser Angabe einstehen will.
Urteil („Unfallfrei laut Vorbesitzer“)
„Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass sich aus der Angabe der Beklagten im Bestellformular „Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Nein“ keine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) ergibt, sondern dass es sich hierbei lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung handelt, mit der die Beklagte die Angaben des Vorbesitzers wiedergibt. […]
Zunächst liegt keine positive Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts vor, dass das verkaufte Fahrzeug unfallfrei ist. Wer sich, wie die Beklagte, im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht, bringt damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, woher er die Angabe entnommen hat, und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt. […]
Aus der Angabe der Beklagten im Bestellformular „Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Nein“ ergibt sich andererseits aber auch keine negative Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass das verkaufte Fahrzeug möglicherweise nicht unfallfrei ist. […]
Liegt nach alledem weder eine positive noch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung vor, stellt die Angabe der Beklagten im Bestellformular „Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Nein“ gemäß der Annahme des Berufungsgerichts richtigerweise eine Wissenserklärung oder – besser – Wissensmitteilung dar, mit der die Beklagte die Angaben des Vorbesitzers wiedergibt […]. Eine solche Wissensmitteilung ist nicht ohne rechtliche Bedeutung. Diese besteht vielmehr darin, dass die Beklagte gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB dafür haftet, dass sie die Angaben des Vorbesitzers richtig und vollständig wiedergibt.“
BGH, Urteil vom 12.03.2008, Az. VIII ZR 253/05.
b) Rechte bei „unfallfrei laut Vorbesitzer“
Bei einer Angabe „unfallfrei laut Vorbesitzer” bleibt ein Ausschluss der Gewährleistung verbindlich. Erforderlich ist nur, dass der Gewährleistungsausschluss die gesetzlichen Regeln einhält. Der Käufer kann dann keine Gewährleistungsrechte geltend machen, falls das Auto in Wirklichkeit ein Unfallfahrzeug sein sollte.
⚠ Wichtige Ausnahme: Bei einem wirksamen Ausschluss der Gewährleistung hat der Käufer ausnahmsweise Ansprüche, wenn der Verkäufer über die Unfallfreiheit arglistig getäuscht hat. Der Käufer kann den Vertrag dann insbesondere nach § 123 BGB anfechten und den Kaufpreis zurückverlangen.
- Für eine wirksame Anfechtung muss der Käufer allerdings beweisen, dass der Verkäufer vorsätzlich gehandelt hat, also in Wirklichkeit von der fehlenden Unfallfreiheit wusste.
Besonderheiten beim Kauf vom Händler
Kauft ein Verbraucher ein Fahrzeug von einem Händler, muss der Verkäufer wichtige Besonderheiten beachten.
Wird das Fahrzeug als „unfallfrei laut Vorbesitzer“ verkauft, liegt eine arglistige Täuschung über die Unfallfreiheit vor, wenn der Händler das Fahrzeug nicht untersucht hat und der Käufer über die fehlende Untersuchung nicht aufgeklärt wurde. Dazu der BGH:
„Dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu. Den Kaufpreis habe der Kläger ohne rechtlichen Grund geleistet, weil er seine Kaufvertragserklärung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten habe. Er habe bewiesen, dass der für die Beklagte tätige Verkäufer B. die Unfallfreiheit des Fahrzeugs ohne Einschränkung versichert habe. Die Angabe im Bestellformular, dass das Fahrzeug “laut Vorbesitzer” keine Unfallschäden aufwies, sei nicht als (Teil-)Widerruf der weitergehenden mündlichen Auskunft des Verkäufers zu verstehen gewesen. […]
Zwar trifft den Verkäufer eines Gebrauchtwagens, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte für einen Unfallschaden nicht die Obliegenheit, das zum Verkauf angebotene Fahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen […]. Jedoch muss der Verkäufer, der von einer eigenen Untersuchung des Fahrzeugs absieht und gleichwohl dessen Unfallfreiheit zusichert, die Begrenztheit seines Kenntnisstandes deutlich machen, wenn er – wie dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall war – die Unfallfreiheit in einer Weise behauptet, die dem Käufer den Eindruck vermitteln kann, dies geschehe auf der Grundlage verlässlicher Kenntnis. Einen solchen – einschränkenden – Hinweis hat der Verkäufer B. versäumt. Er hat die Unfallfreiheit des Fahrzeugs dem Kläger gegenüber zugesichert, ohne deutlich zu machen, dass er über die Unfallfreiheit keine eigenen Erkenntnisse hatte und auch die ihm vorliegenden Akten darüber nichts aussagten.”
BGH, Urteil vom 07.06.2006, Az. VIII ZR 209/05
5. Fazit zur Bezeichnung „unfallfrei“
Wann ein Fahrzeug „unfallfrei“ ist und welche Rechte daraus folgen, kann schnell komplizierte Rechtsfragen aufwerfen. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung einer Unfallfreiheit von bloßen Bagatellschäden. Aber auch die Frage, wann Unfallfreiheit verbindlich zugesichert wird, ist alles andere als einfach.
Käufern und Verkäufern ist daher zu empfehlen, jedenfalls bei wirtschaftlich bedeutenden Angelegenheiten einen Anwalt aufzusuchen.
© Rechtsanwalt C.D. Franz
Der Beitrag dient lediglich der allg. Information, ist nicht abschließend und wird nicht fortlaufend aktualisiert. Eine Rechtsberatung findet hierdurch nicht statt.
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Über den Autor
Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die günstige Anbindung an Autobahnen, den Schienenverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten. Das Vertragsrecht gehört dabei zu den wichtigsten Rechtsgebieten.
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Christian D. Franz, Rechtsanwalt