„Sie sind der Käufer!“ – Schadensersatz bei geplatztem Immobilienkauf

Anmerkung zum Urteil des LG Karlsruhe vom 28.03.2025 (Az. 9 S 41/24)

08. Aug. 2025 | Immobilienrecht, Vertragsrecht

Landgericht Karlsruhe zum Schadensersatz nach abgesagtem Notartermin

1. Einleitung: Geplatzter Immobilienkauf als Dauerbrenner

Viele Käufer kennen die Situation: Eine Immobilie ist besichtigt, der Kaufpreis steht, der Notar hat bereits den Vertragsentwurf angefertigt, und trotzdem springt der Verkäufer in letzter Minute ab.

Käufer stellen sich dann unweigerlich die Frage, wer für die nutzlos gewordenen Kosten der Finanzierung und für die Notargebühren aufkommen muss. Im Regelfall ist dies der Käufer. Das Erfordernis der notariellen Form soll dem Verkäufer gerade ermöglichen, bis zur Beurkundung frei über die Immobilie verfügen zu können.

Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zulässig. Mit einem solchen Fall hat sich das Landgericht Karlsruhe befasst und dem klagenden Käufer einen Anspruch auf Schadensersatz zuerkannt.

Wer dem Käufer eine feste Zusage macht („Sie sind der Käufer!“) und ihn sogar zur Beauftragung des Notars auffordert, kann schadensersatzpflichtig werden.

Weiterführender Hinweis

Eine ausführliche Darstellung dieses Themas finden Sie im folgenden Ratgeber:

2. Der gescheiterte Vertragsschluss im rechtlichen Koordinatensystem

Bereits die bloße Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Daraus erwachsen verschiedene Schutz‐ und Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Der hierfür bemühte Rechtsfigur lautet „culpa in contrahendo“, also Verschulden bei bzw. im Vorfeld eines Vertragsschlusses.

Verletzt eine Partei diese Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig, haftet sie nach § 280 Abs. 1 BGB auf den Vertrauensschaden. Darunter fallen insbesondere Aufwendungen, welche die andere Partei im Vertrauen auf den Vertragsschluss getätigt hat.

Der BGH hat jedoch mit Urteil vom 13.10.2017 (V ZR 11/17) betont: Beim Grundstückskauf genügt nicht schon das Fehlen eines vernünftigen Grundes für den Verhandlungsabbruch. Schadensersatz ist nur dann geschuldet, wenn eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung vorliegt, meist also durch vorsätzliches Verhalten oder bewusstes Ausnutzen einer Vertrauenssituation.

Der Grund: Der strenge notarielle Formzwang (§ 311b Abs. 1 BGB) würde unterlaufen, wenn schon jeder Abbruch der Vertragsverhandlungen zu einer Schadensersatzpflicht des Verkäufers führen würde.

3. Der Fall vor dem LG Karlsruhe: Vom „Ja“ zum Abbruch in letzter Minute

Die Berufungskammer des Landgerichts Karlsruhe hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

  • Frühjahr 2018: Käufer und Verkäufer verhandeln über ein Einfamilienhaus. Nach mehreren Besichtigungen will der Käufer sicher sein, dass weitere Objektbegehungen sich nicht zu seinem Nachteil auswirken. Er fragt per E-Mail: „Bitte teilen Sie mir mit, ob unsere Vereinbarung von gestern gültig ist, dass wir ihr Haus kaufen wie vereinbart.“
  • Der Verkäufer antwortet: „Ich versichere Ihnen, dass unsere Absprache für mich gilt. Sie sind der Käufer!“
  • Absprachegemäß beauftragt der Käufer den Notar mit der Erstellung eines Vertragsentwurfs. Die Notarkosten betragen 2.606,93 €.
  • Mitte Mai gab der Verkäufer seine Verkaufsabsicht plötzlich auf: Ein anderer Interessent habe die gleiche Kaufsumme mit vorteilhafteren Übergaberegelungen geboten. Die Immobilie wurde sodann an den anderen Interessenten veräußert.

In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Dieses Urteil wurde vom Landgericht Karlsruhe in der Berufung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Verkäufer wurde verurteilt, an den Käufer Schadensersatz in Höhe der Notarkosten zu leisten.

Nach Ansicht des LG Karlsruhe habe eine gesteigerte Vertrauensbeziehung bestanden: Die eindeutige Mail „Sie sind der Käufer!“ und die Abrede, den Notar durch den Käufer zu beauftragen, haben das berechtigte Vertrauen geweckt, dass das Geschäft nur noch Formsache sei.

4. Fazit und Bedeutung für die Praxis

Der Fall zeigt erneut, dass eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung stets eine Frage des Einzelfalls ist. Die Kriterien hierfür bleiben unverändert recht konturlos, sodass es maßgeblich auf die richterliche Wertung ankommt.

Für die anwaltliche Beratungspraxis bedeutet dies, dass die Mandantschaft unbedingt auf die bestehende Rechtsunsicherheit hinzuweisen ist. Was der eine Richter als nicht hinreichend schwerwiegend betrachtet, mag ein anderer Richter schon wieder ganz anders sehen.

Käufer und Kaufinteressenten sollten folgendes beachten:

  • Beweissicherung: Zusagen des Verkäufers schriftlich bestätigen lassen, z.B. per E-Mail.
  • Kostenauslöser abwägen: Notar, Gutachten, Finanzierungs­gebühren erst veranlassen, wenn zentrale Eckpunkte fixiert sind oder eine Kosten­übernahme­vereinbarung vorliegt.

Für Verkäufer gilt:

  • Klare Kommunikation: Keine endgültigen Zusagen machen („Sie sind der Käufer“), solange Alternativen geprüft werden.
  • Transparenz herstellen: Es sollte offen darauf hingewiesen werden, dass noch andere Kaufinteressenten vorhanden sind.
  • Nachverhandlungen: Erhält der Verkäufer ein besseres Angebot, ist dem bisherigen Interessenten Gelegenheit zum Gleichziehen zu geben.
  • Dokumentation: Gründe für den Abbruch der Verhandlungen (z.B. höherer Kaufpreis, bessere Konditionen, Finanzierungshürden) sollten vorab gründlich dokumentiert werden.

Das Urteil im Wortlaut

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Urteil (bitte anklicken)

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2025 – 9 S 41/24
vorhergehend: AG Karlsruhe, 11.03.2024 – 7 C 551/21

In dem Rechtsstreit

[…]

wegen Schadensersatzes

hat das Landgericht Karlsruhe – Zivilkammer IX – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ###, die Richterin am Landgericht ### und die Richterin am Landgericht ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2025 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 11.03.2024, Az. 7 C 551/21, unter Aufhebung der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.606,93 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.05.2018 zu zahlen.

(2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 326,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 04.09.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.606,93 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten wegen des Nichtzustandekommens eines Grundstückkaufvertrages die Zahlung von Schadensersatz.

Zwischen den Parteien wurden im Frühjahr 2018 Vertragsverhandlungen über den Verkauf des im Eigentum der Beklagten stehenden Hausgrundstücks ### geführt. In Absprache mit der Beklagten beauftragte der Kläger am 07.05.2018 die Notarinnen ### mit der Vorbereitung der Kaufvertragsurkunde und vereinbarte einen Beurkundungstermin für den 16.05.2018. Am 14.05.2018 ließ die Beklagte dem Kläger über ihre Maklerin mitteilen, dass sie das Mietobjekt an einen Dritten verkaufen werde. Mit notariellem Kaufvertrag vom 18.05.2018 veräußerte die Beklagte das streitgegenständliche Anwesen an Herrn ###.

Der vorgerichtlichen Aufforderung des Klägers, die ihm entstandenen Notarkosten zu erstatten, ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe die Vertragsverhandlungen weder grundlos noch aus sachfremden Erwägungen abgebrochen. Vielmehr habe ein triftiger Grund hierfür vorgelegen, nachdem der Kläger auf eine vollständige Räumung des Grundstücks durch die Beklagte und eine Schlüsselübergabe bereits vor Kaufpreiszahlung bestanden habe. Das Angebot des Käufers ### habe sich insofern für die Beklagte als günstiger dargestellt, als es Kaufpreiszahlung und Übergabe nicht von einer Räumung des Grundstücks durch die Beklagte abhängig gemacht habe.

Dem Einwand des Klägers, der anderweitige Vertragsschluss sei tatsächlich nicht vorteilhafter gewesen, weil das Objekt bereits vollständig geräumt gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Auch wenn es zutreffen sollte, dass sich – wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern ergebe – im Gebäude nur noch wenige Gegenstände befunden hätten und sich die Schätzung der Räumungskosten seitens der Beklagten auf „mehrere tausend Euro“ als überhöht erweise. Die abgebildeten Gegenstände seien jedenfalls nicht derart unerheblich, dass die Nichttragung der Kosten für die Beklagte keinen relevanten Vorteil bedeuten würde. Dafür spreche auch, dass der Kläger ausweislich der vorgenommenen Vertragsergänzungen vom 14.05.2018 noch selbst sein Interesse an der vollständigen Räumung durch die Beklagte zum Ausdruck gebracht habe. Das Angebot des Käufers ### habe sich für die Beklagte auch insoweit als günstiger dargestellt, als keine Schlüsselübergabe vor Kaufpreiszahlung habe erfolgen müssen.

Darüber hinaus sei auch keine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung seitens der Beklagten gegeben. Es sei weder davon auszugehen, dass die Beklagte eine tatsächlich nicht vorhandene Abschlussbereitschaft vorgespielt habe, noch sei anzunehmen, dass die Beklagte zunächst verkaufsbereit gewesen sei, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von dieser Bereitschaft abgerückt sei, ohne dies zu offenbaren. Es sei vielmehr das Vorliegen einer Abschlussbereitschaft der Beklagten bis zum 14.05.2018 anzunehmen. Bis dahin habe die Beklagte ihr Verkaufsinteresse an den Kläger durch Verkaufsgespräche, die Möglichkeit für Besichtigungen des Hauses und insbesondere durch die E-Mail vom 05.05.2018 zum Ausdruck gebracht, sodass der Kläger keinen Grund gehabt habe, an einem Zustandekommen des Vertrages zu zweifeln.

Dagegen spreche auch nicht, dass die Parteien noch nicht in allen Punkten (wie z.B. der Schlüsselübergabe) eine Einigung erzielt hätten, ebenso wenig, dass die Beklagte sich parallel zu der Vertragsanbahnung mit dem Kläger bis zum 14.05.2018 noch um weitere Käufer bemüht habe und weitere Besichtigungen seitens der Maklerin durchgeführt worden seien. Denn auch wenn dem Verhandlungspartner bewusst sei, dass nach seiner Erklärung, den Vertrag zu bestimmten Bedingungen abschließen zu wollen, Umstände eintreten könnten, die ihn von dem Vertragsschluss abhalten könnten, könne er abschlussbereit sein. Entscheidend sei, ob die Erklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe der Wahrheit entspreche, der (potentielle) Verkäufer also zu diesem Zeitpunkt zur Veräußerung der Immobilie zu den mitgeteilten Bedingungen bereit sei. Es stehe ihm aber frei, von dieser Verkaufsabsicht wieder abzurücken, da er an seine Erklärung mangels notarieller Beurkundung nicht gebunden sei. Ein solches Abrücken müsse er dem potentiellen Vertragspartner allerdings umgehend mitteilen. Eine darüberhinausgehende Pflicht, den Interessenten darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehalte, von seiner Verkaufsabsicht abzurücken, treffe den Verkäufer demgegenüber nicht.

Nach Angaben der Beklagten habe diese erst am 14.05.2018 vom günstigeren Angebot der Familie ### erfahren, sodass sie erst zu diesem Zeitpunkt ihre Entscheidung geändert und ihren Entschluss dem Kläger noch am selben Tag mitgeteilt habe. Zwar habe der Kläger aufgrund des Vertragsschlusses mit der Familie ### bereits am 18.05.2018 bezweifelt, dass eine Aushandlung des Vertrags mit dieser erst ab dem 14.05.2018 stattgefunden habe, da die notwendigen Vorbereitungen innerhalb von vier Tagen im absoluten Regelfall nicht zu treffen seien. Hierbei handle es sich aber lediglich um eine Mutmaßung. Aber selbst wenn die Annahme des Klägers zutreffen sollte, dass die Beklagte insbesondere mit der Familie ### Vertragsverhandlungen parallel geführt habe, könne daraus nicht abgeleitet werden, dass sie auch ihre Entscheidung, an diese und nicht an den Kläger zu verkaufen, vor dem 14.05.2018 – oder sogar noch vor Anfall der Notarkosten, denn nur dies wäre kausal für den entstandenen Schaden – geändert habe.

Auch eine sonstige, besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung sei nicht erkennbar. Mit E-Mail vom 05.05.2018 habe die Beklagte dem Kläger zwar versichert, dass er der Käufer sei, habe mit ihm Verkaufsgespräche geführt und Besichtigungen ermöglicht. Wenn der Verkäufer aber eine formlos erklärte, ernstliche Zusage zum Vertragsschluss später nicht einhalte, nehme er lediglich den gesetzlichen Schutz des § 311b Abs. 1 BGB in Anspruch. Darüber hinaus sei dem Kläger – dies ergebe sich aus dem E-Mail Verlauf vom 05.05.2018 – bekannt gewesen, dass Besichtigungstermine mit Dritten seitens der Beklagten durchgeführt worden seien. Auch genüge nicht, dass die Beklagte den Kläger gebeten habe, sich um die Beauftragung der Notarin zu kümmern. Da vor der Beurkundung eine rechtliche Bindung des Verkaufswilligen noch nicht bestehe, würden Vermögensdispositionen, die in Erwartung eines Kaufabschlusses getätigt würden, grundsätzlich auf eigenes Risiko erfolgen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in vollem Umfang weiter. Falsch sei der urteilstragende Schluss des Amtsgerichts, ein triftiger Grund zum Abbruch der Vertragsverhandlungen sei darin zu sehen, dass der Kläger – anders als der Erwerber ### auf einer vollständigen Räumung des Grundstücks durch die Beklagte und einer Schlüsselübergabe bereits vor Kaufpreiszahlung bestanden habe. Dabei möge sogar richtig sein, dass der letztlich mit dem Erwerber ### geschlossene notarielle Kaufvertrag Kaufpreiszahlung und Übergabe nicht von einer Räumung des Grundstücks durch die Beklagte abhängig gemacht habe. Wie erstinstanzlich bereits anhand von Lichtbildern vorgetragen und nicht substantiiert von der Beklagten bestritten, sei aber das Objekt bereits zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen Mitte Mai 2018 mit Ausnahme der im Keller befindlichen (leeren) Regale sowie vereinzeltem Küchenmobiliar (Unterschrank/Spüle) nahezu vollständig geräumt gewesen, sodass sich hierdurch kein nennenswerter Vorteil der Beklagten ergeben hätte.

Entscheidungserheblich komme es darauf an, dass das Amtsgericht die hier maßgebliche Anspruchsgrundlage gemäß §§ 31 1 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs.2, 280 Abs. 1 BGB zu eng ausgelegt habe und meine, bereits eine möglicherweise vorteilhaftere Klausel in einem zeitlich späteren Kaufvertrag mit einem anderen Kaufinteressenten würde es rechtfertigen, ohne vorherige Ankündigung von demjenigen Geschäft Abstand zu nehmen, hinsichtlich dessen bereits ein schützenswertes Vertrauen geschaffen worden sei und bei welchem der Kaufinteressent bereits nicht unerhebliche Kosten in Gestalt von Notargebühren investiert habe. Die Beklagte sei nicht bereits anlässlich eines notariellen Kaufvertragsentwurfs, der eine Klausel enthalten habe, die die Beklagte im ersten Moment nicht habe akzeptieren wollen, dazu berechtigt gewesen, sämtliche Verhandlungen über den Vertrag einzustellen, ohne dem Kläger die Chance eines Kompromissangebots einzuräumen.

Der Kläger habe gegenüber der Beklagten stets Bereitschaft gezeigt, sich über die Inhalte des Vertragswerks auszutauschen und hierüber zu verhandeln. Gleichwohl seien der Beklagten die Gründe klar gewesen, weshalb der Kläger eine möglichst frühe Zugänglichkeit des Objekts habe erreichen wollen. Denn der Erwerb des Hausgrundstücks wäre kurzfristig noch vor Begehung mit einem Architekten und einem Statiker erfolgt, so dass im Sinne einer möglichst zügigen Inbesitznahme diese Termine bereits vor vollständiger Kaufpreiszahlung hätten durchgeführt werden sollen. Damit habe sich im Grunde auch die Beklagte einverstanden erklärt, welche ausweislich ihrer E-Mail vom 13.05.2018 hierfür eine andere Lösung präferiert habe, nämlich die Durchführung gemeinsamer Ortstermine.

In der Gesamtschau der hier gegebenen Umstände – die Beklagte habe dem potentiellen Erwerber vorab schriftlich auf dessen Nachfrage, ob man denn nun einen Notar beauftragen könne, versichert, dass er der Käufer sei und dessen Bedenken anlässlich zwischenzeitlich bekannt gewordener Besichtigungstermine der Maklerin mit Dritten zerstreut – würden sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis die in der Rechtsprechung definierten Schutz- und Treuepflichten ergeben. Als Ausprägung dieser Schutzpflichten hätte die Beklagte dem Kläger zu erkennen geben müssen, dass die derzeitig im Entwurf befindliche Regelung zur Besitzübergabe für sie ein absolutes k.o.-Kriterium sei und dass der Vertrag nicht zustande komme, wenn die Regelung enthalten bleibe. Denn nur dann könne man davon sprechen, dass Verhandlungen gescheitert seien. Im Falle einer zu erwartenden Klarstellung der Beklagten hätte der Kläger auch die Möglichkeit gehabt zu entscheiden, ob die von ihm im Vertrauen auf das Zustandekommen des Kaufvertrags investierten Mühen und Kosten nun mal vergebens sein sollten und ein Kaufvertrag aufgrund unterschiedlicher Ansichten nicht zustande komme oder ob man sich doch auf eine von der Beklagten vorgeschlagenen Lösung einlasse.

Die Beklagte stellt sich der Berufung entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei das streitgegenständliche Objekt nicht geräumt gewesen. So hätten sich noch diverse Einrichtungsgegenstände, insbesondere eine komplette Küchenzeile unter dem Dach, bei der Beklagten befunden, ferner die vom Kläger erwähnten Regale im Keller. Der Kläger sei insoweit nur bereit gewesen, die Spüle der Küche zu übernehmen und habe von der Beklagten gefordert, die Gegenstände zu entfernen. Der Architekt des Klägers, der zur zweiten Besichtigung vom Kläger mitgebracht worden sei, habe insoweit die Einschätzung geäußert, dass hier ca. 600,00 EUR an Entsorgungskosten anfallen würden, zu deren Übernahme der Kläger aber nicht bereit gewesen sei.

Erst nach der E-Mail der Beklagten vom 05.05.2018 habe diese das Angebot der späteren Käufer ### erreicht; zu diesem Zeitpunkt jedoch, nämlich schon am 05.05.2018, hätten die Notare ### ihren Kaufvertragsentwurf übermittelt, dies aufgrund eines Auftrags des Klägers, sodass die entsprechenden Notargebühren bereits angefallen gewesen seien. Da das Angebot des späteren Käufers ### besser gewesen sei als das Angebot des Klägers, habe die Beklagte jenes angenommen. Weil der Kläger eben gerade – aufgrund seiner kompromisslosen Aussagen vorher – zu einem Verhandeln über die Entsorgung nicht bereit gewesen sei, habe die Beklagte das Angebot der Käufer ### angenommen. Das Abrücken von der ursprünglich gegebenen Zusage habe die Beklagte dem Kläger auch sofort mitgeteilt, nämlich am 14.05.2018 durch die Maklerin ### somit an dem Tag, an welchem das Ehepaar ### das Haus der Beklagten besichtigt habe und sich mit ihr nicht nur auf den Kaufpreis, sondern auch die Übernahme der Räumung geeinigt habe. Anders als der Kläger meine, sei die Beklagte eben gerade nicht gehalten gewesen, nochmals in Verhandlungen über die aus ihrer Sicht offenen Punkte einzutreten. Ohnedies seien zu diesem Zeitpunkt eben schon die Notargebühren angefallen, sodass kein Kausalzusammenhang zur eingeklagten Schadenssumme bestehe.

Hinzu komme, dass der Kläger auf eine Schlüsselübergabe nach Vertragsunterzeichnung bestanden habe, was die Beklagte eben nicht gewollt habe. Über diesen Punkt hätten die Parteien vorher nicht gesprochen, so dass die Beklagte vor Erhalt des notariellen Vertragsentwurfs den Beklagten darauf auch nicht habe ansprechen können. Aus der Anlage K6 sei auch ersichtlich, dass die Beklagte sich hierauf habe einlassen wollen. Daher liege eben noch keine endgültige Einigung der Parteien insoweit vor. Auch dieser Punkt sei von dem Käufer Pontius besser mit der Beklagten verhandelt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Anders als das Amtsgericht geht die Berufungskammer von einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen schuldhaften Verletzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Höhe der entstandenen Notarkosten aus.

a) Wie bereits durch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, hat jede Partei im Rahmen der Privatautonomie bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen.

Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr. Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 -V ZR 11/17 -).

Ebenfalls zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass bei einem Grundstückskaufvertrag an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten strenge Anforderungen zu stellen sind. Hier löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt. Eine solche ist beispielsweise beim Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft oder auch dann gegeben, wenn ein Verhandlungspartner zwar zunächst verkaufsbereit war, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von dieser Bereitschaft abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren (BGH a.a.O., Rn. 6 m.w.N.).

Würde dagegen schon das Fehlen triftiger Gründe für die Verweigerung der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags die Haftung des Verhandlungspartners begründen, würde das nämlich einen indirekten Zwang zum Abschluss des Vertrags bedeuten. Ein solcher Zwang liefe dem Zweck der Formvorschrift des § 31 lb BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll (BGH a.a.O., Rn. 6 m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze geht die Kammer von einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger aus.

Zwar triff zu, dass der Kläger den Wunsch geäußert hat, dass das Kaufobjekt durch die Beklagte vollständig geräumt und besenrein übergeben werde und dass eine Schlüsselübergabe noch vor Kaufpreiszahlung erfolgen sollte; entsprechende Regelungen enthält auch der von ihm vorgelegte Vertragsentwurf. Auch ist dem Amtsgericht zuzustimmen, dass ein besseres Kaufangebot und damit ein triftiger Grund zum Abbruch von Vertragsverhandlungen grundsätzlich bejaht werden kann, wenn demgegenüber ein anderer Kaufinteressent Kaufpreiszahlung und Übergabe nicht von einer Räumung des Grundstücks durch den Verkäufer abhängig macht und eine Schlüsselübergabe nicht vor Kaufpreiszahlung zu erfolgen hat.

Allerdings stand zum Zeitpunkt der Mitteilung, dass der Kaufvertrag mit dem Kläger nicht zustande komme, noch gar nicht fest, ob tatsächlich ein besseres Kaufangebot vorlag, da die Beklagte dem Kläger überhaupt keine Gelegenheit eingeräumt hat, sich auf die Vorstellungen der Beklagten einzulassen.

Insofern sind vorliegend Besonderheiten zu berücksichtigen, durch die sich der vorliegende Rechtsstreit von den durch den BGH entschiedenen Fällen, die vom Amtsgericht und von der Beklagtenseite zitiert worden sind, wesentlich unterscheidet:

aa) Eine wesentliche Bedeutung kommen Ablauf und Inhalt der zwischen den Parteien geführten Vergleichsverhandlungen zu:

Von Beklagtenseite unbestritten, hat der Kläger vorgetragen, auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten und in Absprache mit der von dieser beauftragten Maklerin die Notarinnen mit der Vorbereitung der Kaufvertragsurkunde und der Festsetzung eines Beurkundungstermins beauftragt zu haben. Die Beauftragung habe absprachegemäß deshalb durch den Kläger erfolgen sollen, weil sich die Beklagte in der Folgezeit in den Niederlanden aufgehalten hat. Aus Vorsichtsgründen und mit Blick auf die entstehenden Notarskosten habe sich der Kläger vor Beauftragung eines Notars nochmals per E-Mail bei der Beklagten versichert, dass der Kaufvertrag zustande komme. Dieser unbestrittene Vortrag wird auch durch den als Anlage Kl vorgelegten E-Mail-Austausch belegt. So hat der Kläger per E-Mail vom 05.05.2018 an die Beklagte geschrieben: „Bitte teilen Sie mir mit, ob unsere Vereinbarung von gestern gültig ist, dass wir ihr Haus kaufen wie vereinbart. Nur dann werde ich am Montag die weiteren Vertragsvorbereitungen treffen.“

Ebenfalls mit E-Mail vom 05.05.2018 hat die Beklagte hierauf geantwortet: „Ich versichere Ihnen, dass unsere Absprache für mich gilt. Sie sind der Käufer!“ Unstreitig hat der Kläger daraufhin am 07.05.2018 die Notarinnen ### mit der Erstellung des Kaufvertragsentwurfs beauftragt und den Beurkundungstermin für den 16.05.2018 vereinbart. Ebenfalls unstreitig ist, dass durch das Notariat noch am Tag der Beauftragung an den Kläger eine Checkliste zur Vorbereitung des Kaufvertrages übersandt worden ist, die der Kläger sogleich an die Beklagte weitergeleitet hat. Diese hat auch mit E-Mail vom 08.05.2025 – Anlage K3 – dem Kläger noch fehlende Daten zugeleitet.

Nachdem der Kläger der Beklagten den Vertragsentwurf übersandt hat, hätte diese den Kläger darüber informieren müssen, dass eine Änderung der Regelung über die Räumung – nämlich Räumung durch den Käufer – und bezüglich der Schlüsselübergabe – Schlüsselübergabe erst nach Kaufpreiszahlung – wesentlich für den Vertragsabschluss sei. Gerade aufgrund der schriftlichen Aussage „Sie sind der Käufer!“ und der Chronologie der Verhandlungen hätte die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit einräumen müssen, ihren Vorstellungen entsprechend die beanstandeten Regelungen zu ändern.

Nur im Fall, dass der Kläger auf den streitgegenständlichen Klauseln im Kaufvertrag bestanden hätte, wäre das Angebot des Kaufinteressenten und späteren Käufers ### tatsächlich das bessere Angebot gewesen.

Bevor dies jedoch nicht feststand, hatte die Beklagte keinen triftigen Grund, die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger abzubrechen.

bb) Darüber hinaus stellt das Verhalten der Beklagten aufgrund der dargelegten Umstände einen besonders schwerwiegenden Treuepflichtverstoß im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte dem Kläger eine tatsächlich nicht vorhandene Abschlussbereitschaft vorgespiegelt hat oder im Verlauf der Verhandlungen innerlich von ihrer Verkaufsbereitschaft abgerückt ist, ohne dies sofort dem Kläger zu offenbaren. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass diese beiden Fälle – Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft oder innerliches Abrücken von der Verkaufsbereitschaft ohne Offenbarung vom Bundesgerichtshof lediglich als Beispiele einer besonders schwerwiegenden Treuepflichtverletzung genannt werden (BGH a.a.O., Rn. 6 m.w.N.). Keinesfalls handelt es sich hierbei somit um eine abschließende Aufzählung aller Fälle einer besonders schwerwiegenden Treuepflichtverletzung; vielmehr sind stets die Umstände des zu beurteilenden konkreten Sachverhalts zu bewerten.

Wie bereits ausgeführt, hat die Beklagte auf ausdrückliches Nachfragen des Klägers vor Beauftragung der Notarinnen diesem versichert, dass die getroffenen Absprachen für sie gelte und dass er der Käufer sei.

Verstärkt wurde diese Zusicherung noch durch die vorangegangene Erklärung der Beklagten, dass sie selbst sich wegen ihres Auslandsaufenthaltes nicht um die Beauftragung eines Notars kümmern könne. Aufgrund ihrer ausdrücklichen Erklärung, die keinerlei Einschränkungen beinhaltet, und ihres Verhaltens hat die Beklagte somit dem Kläger gegenüber eine gesteigerte Vertrauensbeziehung begründet, die sie zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers verpflichtet hat (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 6. März 2014 -4 U 435/12 -). Aufgrund der dargelegten Umstände geht die Kammer somit von einem besonders schwerwiegenden Treuepflichtverstoß der Beklagten aus, der nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo zu einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte führt.

c) Da im Rahmen der culpa in contrahendo der sog. Vertrauensschaden zu ersetzen ist, ist der Kläger als Geschädigter so zu stellen ist, als ob er nie auf den Vertrag hingearbeitet hätte. Insofern sind ihm die durch die Beauftragung der Notarinnen entstandenen Kosten zu erstatten. Der hierfür geltend gemachte Betrag von 2.606,93 EUR ist der Höhe nach von Beklagtenseite nicht angegriffen worden.

2. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB.

Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Nach alledem hat die Berufung des Klägers in voller Höhe Erfolg und war die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Über den Autor

Anwalt für Immobilienrecht in Frankfurt

Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz zentral in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Seit mehr als einem Jahrzehnt veröffentlicht der Autor rechtliche Ratgeberbeiträge und vertritt Mandanten im gesamten Bundesgebiet.

Das Immobilienrecht, Vertragsrecht sowie das Maklerrecht gehören seit der Gründung der Kanzlei im Jahr 2014 zu den wichtigsten Rechtsgebieten.

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