Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG: Wann ist die Ausübung „erforderlich“?
Anmerkung zum Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 09.07.2025 (Az. 5 S 655/24)

1. Einleitung: Vorkaufsrecht versus Privatautonomie
Das Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG ist ein wichtiges Instrument, um Flächen mit besonderer naturschutzfachlicher Bedeutung zu sichern. Es ermöglicht den zuständigen Behörden, beim Verkauf bestimmter Grundstücke in den Kaufvertrag einzutreten und so den langfristigen Erhalt von Natur und Landschaft zu gewährleisten.
Für Käufer wird ein ausgeübtes Vorkaufsrecht in aller Regel zum Ärgernis. Das Vorkaufsrecht durchkreuzt die Vertragsfreiheit der Parteien und schränkt den Käufer in seiner Privatautonomie ein.
Mit Urteil vom 09.07.2025 (Az. 5 S 655/24) hat der VGH Baden-Württemberg wichtige Maßstäbe zur „Erforderlichkeit“ der Ausübung nach § 66 BNatSchG präzisiert. Das Urteil bestätigt einmal mehr die Tendenz der Rechtsprechung, dass zum Zwecke des Naturschutzes kein zu enges Verständnis an den Begriff der Erforderlichkeit anzulegen ist.
2. Das Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG im rechtlichen Koordinatensystem
Nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNatSchG steht der öffentlichen Hand bei Verkäufen in Naturschutzgebieten ein Vorkaufsrecht zu; es darf nach § 66 Abs. 2 BNatSchG nur ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege „erforderlich“ ist.
Die Frage der Erforderlichkeit sorgt immer wieder für rechtliche Auseinandersetzungen.
Hintergrund ist, dass das Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG nicht automatisch greift, nur weil ein Grundstück in einem Schutzgebiet liegt. Der Eintritt in den Kaufvertrag muss vielmehr ein notwendiges und geeignetes Mittel sein, um den angestrebten Schutzzweck – also Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge – zu erreichen.
Für die Ausübung des Vorkaufsrechts steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. In der Praxis führt diese Prüfung häufig zu Streit.
- Käufer und Verkäufer mögen etwa der Meinung sein, dass Schutzauflagen oder freiwillige Vereinbarungen ausreichend seien, um einen wirksamen Naturschutz sicherzustellen.
- Behörden hingegen sehen den Eigentumserwerb als wirksamstes Mittel, um verlässlich Einfluss auf die Grundstücksnutzung zu nehmen.
3. Der Fall vor dem VGH Baden-Württemberg: Kein „optimaler“ Naturschutz nötig
a) Was war geschehen?
Der VGH Baden-Württemberg hatte über eine Klage gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts zu entscheiden.
Der Sachverhalt in Kürze:
- Die Kläger, Betreiber eines heilpädagogischen Reitbetriebs, erwarben im November 2021 per notariellem Kaufvertrag von der bisherigen Eigentümerin zwei zuvor gepachtete Grundstücke in einem Naturschutzgebiet, eines davon zusätzlich im FFH-Gebiet.
- Nach Anzeige des Kaufvertrags beim Landratsamt stellte das Regierungspräsidium die Voraussetzungen für das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht. Daraufhin wurde das Vorkaufsrecht ausgeübt, um Naturschutzziele zu sichern, Pflegemaßnahmen zu erleichtern und die Wiederherstellung einer verlorengegangenen FFH-Mähwiese umzusetzen.
- Der von den Käufern erhobene Widerspruch gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts wurde zurückgewiesen. Eine naturschutzkonforme Nutzung sei im öffentlichen Eigentum besser gewährleistet.
- Die anschließende Anfechtungsklage vor dem VG Karlsruhe blieb erfolglos.
b) Die Entscheidung VGH Baden-Württemberg
Der VGH Baden-Württemberg hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Gerichts habe die zuständige Behörde das ihr zustehende Vorkaufsrecht ermessensfehlerfrei ausgeübt. Das Merkmal der „Erforderlichkeit“ in § 66 Abs. 2 BNatSchG sei nicht eng auszulegen.
Insbesondere sei die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht etwa nur dann zulässig, wenn dies zur optimalen Zielerreichung notwendig sei. Es genüge, dass die Naturschutzziele auf den Grundstücken im öffentlichen Eigentum besser oder verlässlicher verwirklicht werden können als im Privateigentum.
„Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im vorliegenden Fall erforderlich war. Die Ausübung hängt nicht davon ab, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, sondern es genügt, dass der Erwerb des Grundstücks durch die öffentliche Hand vorteilhafte Auswirkungen auf die in § 1 Abs. 1 BNatSchG bezeichneten und in den Folgeabsätzen konkretisierten Ziele des Schutzes der biologischen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Vielfalt, Eigenart oder Schönheit von Natur und Landschaft einschließlich ihres Erholungswertes hat. Es kommt nicht darauf an, ob die naturschutzfachlichen Ziele durch die öffentliche Hand optimal und umfassend verwirklicht werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist vielmehr schon dann aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich, wenn die Ziele des Naturschutzes auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besser oder zuverlässiger verwirklicht werden können als auf Grundstücken, die sich in Privateigentum befinden (…)“
Das Gericht folgte damit der Linie des Niedersächsischen OVG (Beschl. v. 25.10.2023 – 4 LA 142/22), wonach kein optimaler Naturschutz verlangt wird, sondern ein Vorteil gegenüber privater Nutzung ausreicht.
Im konkreten Fall sah es die Erforderlichkeit bejaht, weil der Erwerb durch das Land die Umsetzung von Pflegemaßnahmen erleichtere, den Verwaltungsaufwand reduziere und die Wiederherstellung einer FFH-Mähwiese sichere.
4. Fazit und Bedeutung für die Praxis
Das Urteil bestätigt die Tendenz der bisherigen Rechtsprechung, für die Erforderlichkeit nach § 66 Abs. 2 BNatSchG keine optimale Zielerreichung vorauszusetzen.
Für die behördliche Praxis bedeutet dies eine deutliche Stärkung der Handlungsoptionen.
Käufer und Verkäufer müssen etwaige Vorkaufsrechte rechtzeitig in den Vertragsverhandlungen berücksichtigen.
- Eine frühzeitige Abklärung mit der Behörde kann helfen, spätere Überraschungen zu vermeiden.
- Argumente gegen die Erforderlichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts sollten vor allem darauf abzielen, den fehlenden Nutzen eines Erwerbs durch die öffentliche Hand deutlich zu machen.
Das Urteil im Wortlaut
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Leitsatz
Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 66 BNatSchG hängt nicht davon ab, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert. Es genügt, dass der Erwerb des Grundstücks durch die öffentliche Hand vorteilhafte Auswirkungen auf die in § 1 Abs. 1 BNatSchG bezeichneten und in den Folgeabsätzen konkretisierten Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege hat.
Es kommt nicht darauf an, ob die naturschutzfachlichen Ziele durch die öffentliche Hand optimal und umfassend verwirklicht werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist vielmehr schon dann im Sinne des § 66 Abs. 2 BNatSchG erforderlich, wenn die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besser oder zuverlässiger verwirklicht werden können als auf Grundstücken, die sich in Privateigentum befinden (wie NdsOVG, Beschluss vom 25.10.2023 – 4 LA 142/22 – NVwZ-RR 2024, 186, juris Rn. 6).
Zu den zum Betrieb gehörenden Flächen im Sinne des § 201 BauGB zählen auch landwirtschaftliche Flächen, die auf unbestimmte Dauer gepachtet sind.
Verfahrensgang
Vorgehend VG Karlsruhe, 23. September 2023, 9 K 1800/22
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Beklagten.
Sie sind Inhaber eines Betriebs für heilpädagogisches Reiten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 8. November 2021 erwarben sie von der Beigeladenen das 875 m² große Grundstück Flst.-Nr. 1xxx und das 1.291 m² große Grundstück Flst.-Nr. 2xxxx der Gemarkung Fxxx der Gemeinde Sxxx. Beide Grundstücke hatten sie zuvor bereits von der Beigeladenen gepachtet. Der Kaufpreis betrug insgesamt 2.500 Euro. Der Bodenrichtwert beträgt nach den Feststellungen des Beklagten 1,70 Euro pro Quadratmeter. Beide Grundstücke befinden sich im Naturschutzgebiet „Pfinzquellen“. Das Grundstück Flst.-Nr. 2xxx befindet sich zusätzlich im Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet „Bocksbach und obere Pfinz“. Die Kläger nutzen die Grundstücke als Weideflächen für ihre Tiere.
Mit Schreiben vom 9. November 2021 setzte die Notarin das Amt für Baurecht und Naturschutz des Landratsamtes Enzkreis über den Abschluss des notariellen Kaufvertrags in Kenntnis und bat um Übersendung der Nichtausübungsbescheinigung nach § 56 NatSchG. Das Landratsamt informierte mit Schreiben vom 30. November 2021 zum einen das Regierungspräsidium Karlsruhe und zum anderen den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesbetrieb). Am 5. Januar 2022 stellte das Regierungspräsidium fest, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegen und bat den Landesbetrieb, die Grundstücke zu erwerben, sowie am 10. Januar 2022 um Ausübung des Vorkaufsrechts. Daraufhin machte der Landesbetrieb mit Bescheid vom 20. Januar 2022 gegenüber der Beigeladenen von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und benachrichtigte die Kläger durch jeweils gesonderte Schreiben vom 20. Januar 2022, denen der an die Beigeladene gerichtete Bescheid beigefügt war. Zur Begründung führte der Landesbetrieb im Wesentlichen aus, der Erwerb diene dazu, die Naturschutz- bzw. Erhaltungsziele der Schutzgebiete bzw. Schutzobjekte umzusetzen, in denen die Grundstücke der Beigeladenen lägen, sowie dazu, die Umsetzung von Pflegemaßnahmen durch die Naturschutzverwaltung erheblich zu erleichtern. Auf etwa einem Viertel der Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. 2xxx befinde sich eine sogenannte Verlustfläche (verloren gegangene FFH-Mähwiese). Hier bestehe die Pflicht zur Wiederherstellung. Dementsprechend werde im Managementplan zum FFH-Gebiet „Bocksbach und obere Pfinz“ als Erhaltungsziel die Wiederherstellung von Mageren Flachland-Mähwiesen (Lebensraumtyp 6510) aufgeführt. Der Verwaltungsaufwand für die behördliche Überwachung und anschließende Regulierung von Eingriffen auf Privatgrundstücken lasse sich durch staatlichen Grunderwerb auf effektive und wirtschaftliche Weise reduzieren. Durch die Überführung in Landeseigentum würden die weitere Umsetzung naturschutzgerechter Pflegemaßnahmen im Naturschutzgebiet erleichtert, eine dauerhafte Pflege durch die Naturschutzverwaltung sichergestellt und die Flächen vor Intensivierung geschützt. Zum Wohle der Allgemeinheit sei es deshalb erforderlich, das Vorkaufsrecht auszuüben.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Landesbetrieb mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2022 zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Realisierung des Schutzzwecks eines Naturschutzgebiets und die Sicherung der ökologischen Qualität von Natura 2000-Gebieten seien abhängig von einer naturschutzkonformen Nutzung der Grundstücke. Insbesondere sei die tatsächliche Beweidungsdauer der Aufwuchsmenge anzupassen, um eine Überweidung zu vermeiden. Dem Land sei bewusst, dass es in die Privatautonomie eingreife. Der Eingriff sei jedoch durch die bestehende Belastung mit dem Vorkaufsrecht abgemildert. Da die Kläger die Grundstücke als Weideflächen benötigten und die Nutzung als Pferdekoppeln im Rahmen der Ausweisung des Naturschutzgebietes mit dem Regierungspräsidium vereinbart worden sei, sei eine Verpachtung der Grundstücke zu den damals festgelegten Bedingungen durchaus möglich. Die Ausübung des Vorkaufsrechts belaste die Kläger nicht unangemessen, denn sie verlören lediglich eine Erwerbsaussicht.
Die am 27. Mai 2022 erhobene Anfechtungsklage der Kläger hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 29. September 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2022 sei rechtmäßig und verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 BNatSchG und des § 53 NatSchG für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen vor. Insbesondere liege ein wirksamer Kaufvertrag vor. Auf den erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich vorgebrachten Vortrag der Kläger, dass es daran fehle, sei schon aus prozessualen Gründen nicht näher einzugehen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei erforderlich gewesen. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine sogenannte Verlustfläche gegeben und insbesondere die Wiederherstellung der Mähwiese sicherzustellen sei. Die Eigentümerstellung des Landes diene dazu, die Einhaltung der unionsrechtlichen naturschutzrechtlichen Pflichten zu überwachen, selbst wenn die konkrete Ausführung durch den Abschluss von Pachtverträgen zunächst Privaten übertragen werde. Die von dem Beklagten mit der Vorkaufsrechtsausübung verfolgten Ziele dienten der dauerhaften Sicherung der Flächen für Zwecke des Naturschutzes. Durch Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 66 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG solle der Staat eine umfassend geschützte Rechtsposition als Eigentümer erlangen, die es ihm ermögliche, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben effektiv sicherzustellen, und zwar insbesondere in den praxisrelevanten Fällen, dass der Pächter nicht im öffentlichen Interesse handele, zahlungsunfähig werde oder sonstige Gründe für die Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gegeben seien. Diese gesetzgeberische Entscheidung könnten die Kläger nicht mit der Behauptung in Frage stellen, dass Private effizienter und verlässlicher als die öffentliche Hand naturschutzrechtliche Verpflichtungen erfüllten.
Der Beklagte habe das Vorkaufsrecht ermessensfehlerfrei ausgeübt und dabei auch die Interessen der Kläger dahingehend berücksichtigt, dass er ihnen den Abschluss eines Pachtvertrages angeboten habe, dessen Konditionen im Rahmen außergerichtlicher Vergleichsgespräche konkretisiert worden seien. Dieses Angebot mache deutlich, dass der Beklagte die wirtschaftliche Situation der Kläger in den Blick genommen habe und gewillt gewesen sei, eine Lösung zu finden, die den Interessen des Klägers gerecht werde. Die Grundstücke seien außerdem von Anfang an mit dem Makel des Vorkaufsrechts behaftet gewesen mit der Folge, dass ein Vertrauen der Kläger nicht schutzwürdig sei. Nach § 8 des Kaufvertrages seien sie zudem über die Existenz von Vorkaufsrechten belehrt worden.
Auf den Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung gegen das den Klägern am 16. Januar 2024 zugestellte Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, der Grundstückskaufvertrag sei formnichtig, weil nicht alle Vertragsbestandteile beurkundet worden seien. Der Vertrag sei ausschließlich deshalb geschlossen worden, weil sie sich bereits seit Jahren um die Beigeladene und deren Grundstücke gekümmert hätten. Die Hingabe der Grundstücke zu dem extrem niedrigen Preis habe sich aus drei Komponenten der Gegenleistung zusammensetzen sollen: 1. dem bereits seit Jahren erbrachten Kümmern um die Beigeladene, den erbrachten Hauswirtschaftsleistungen sowie der Unterstützung bei der Bearbeitung ihrer Grundstücke, 2. dem zukünftigen Weiterkümmern und Betreuen sowie weiteren Hauswirtschaftsleistungen und weiterer Unterstützung bei der Bearbeitung der Grundstücke und 3. dem geringen Kaufpreis.
Der Beklagte würde sich unter Ausbeutung der Zwangslage und der Unerfahrenheit der Beigeladenen Vermögensvorteile gewähren lassen, was gemäß § 138 BGB als sittenwidriges Rechtsgeschäft ebenfalls nichtig sei. Er habe außerdem ermessensfehlerhaft das wirtschaftliche Interesse am Erhalt und der Fortführung ihrer Betriebe nicht ausreichend berücksichtigt. Ein konkretes Pachtangebot habe nicht vorgelegen. Für den Landwirtschaftsbetrieb des Klägers zu 2. benötigten sie den landwirtschaftsrechtlich geforderten Flächennachweis als Dauerweidefläche, was mit einem unbefristeten, aber jederzeit kündbaren Pachtvertrag nicht möglich sei. Der Beklagte habe verkannt, dass nach § 15a BNatSchG bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Nutzungen Rücksicht zu nehmen sei. Für die Beweidung der bereits in ihrem Eigentum stehenden Flächen im Naturschutzgebiet hätten sie eine Vereinbarung über eine naturschutzkonforme Nutzung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe getroffen, die bisher durchgehend reibungslos verlaufen und eingehalten worden sei. Es bestehe daher eine vertrauensschützende Handhabung seit 2016. Die Ausübung des Vorkaufsrechts mit anschließender Rückverpachtung sei ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Privatautonomie in Form eines enteignungsgleichen Eingriffs, wenn nicht sogar eine rechtswidrige oder verfassungswidrige Enteignung. Dies umso mehr, als nicht ausgeschlossen sei, dass nicht der Naturschutz, sondern anderweitige, nicht offen kommunizierte rein fiskalische Nutzeffekte für das Land mit dem Ankauf verbunden seien, wie zum Beispiel der Handel mit Ökopunkten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. September 2023 – 9 K 1800/22 – zu ändern und den Bescheid des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg vom 20. Januar 2022 über die Ausübung des Vorkaufsrechts an den Grundstücken der Gemarkung Feldrennach Flst.-Nr. 1xxx und 2xxx sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 21. April 2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, der Kaufvertrag sei wirksam. Das gute Verhältnis zwischen den Klägern und der Beigeladenen möge ein Motiv für den Verkauf und den Kaufpreis gewesen sein. Ein Motiv sei jedoch nicht beurkundungspflichtig. Es sei unglaubhaft, dass sich die Kläger für einen solch geringen Kaufpreisnachlass unbegrenzt zur Pflege und Unterstützung der Beigeladenen verpflichten wollten. Möglicherweise sei die Beigeladene aufgrund des guten Verhältnisses zu den Klägern bereit gewesen, sich auf den etwas niedrigeren Preis einzulassen. Keinesfalls aber sei es für die Beigeladene eine Bedingung für den Kauf gewesen, dass die nun behaupteten Gegenleistungen neben dem Kaufpreis erbracht würden. Der Kaufpreis sei deshalb so niedrig gewählt worden, weil man die Grunderwerbsteuer habe vermeiden wollen, die bei Käufen bis 2.500 € nicht anfalle. Durch die Handhabung bei anderen Grundstücken sei keine rechtliche Bindung entstanden, in künftigen Verkaufsfällen von der Ausübung eines Vorkaufsrechts abzusehen. Der Vortrag der Kläger sei auch widersprüchlich. Einerseits behaupteten sie, die Beigeladene habe sich darüber beschwert, dass das Grundstück für „einen Appel und ein Ei“ ans Land übergegangen sei und sie es daher auch nicht für die geplante bezahlte Pflege verwenden könne. Abgesehen davon, dass der Wert der Fläche nicht einmal ansatzweise als Finanzierungsgrundlage für später bezahlte Pflegedienstleistungen in Betracht gezogen werden könne, behaupteten sie andererseits, dass sie selbst Pflege und Unterstützung leisten sollten.
Auf die Ausführungen zur Sittenwidrigkeit komme es nicht an. Sollte der Vertrag wegen Formunwirksamkeit nichtig sein, sei das Vorkaufsrecht obsolet. Sei er formwirksam, gebe es keine unbeurkundete Gegenleistung, sodass sich die Frage der Sittenwidrigkeit nicht stelle. Es liege kein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Die Beigeladene habe sich auch nicht in einer Zwangslage befunden oder sei unerfahren. Im Übrigen fehle es an den subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig; insbesondere sei das Ermessen fehlerfrei unter Berücksichtigung der Interessen der Kläger ausgeübt worden. Das Land stehe zu seiner Zusage, dass eine Anpachtung der Grundstücke möglich sei. Dadurch würde sich für die Kläger im Vergleich zum vorherigen Zustand nichts ändern. Die Vorschrift des § 15a Abs. 3 BNatSchG sei nicht anwendbar. Es gehe entgegen der Ansicht der Kläger nicht darum, ob der Staat den Naturschutz besser erbringen könne als der betroffene Käufer, sondern darum, dass der Staat die Naturschutzbelange besser steuern und eine naturschutzwidrige Nutzung effektiver abstellen könne, wenn die Naturschutzflächen in seinem Eigentum stünden. Anderenfalls könne er nur mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen den Naturschutz durchsetzen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts stelle auch keine Enteignung dar. Der unsubstantiierte Vorwurf, der Staat würde andere, fiskalische Zwecke verfolgen oder gar Betriebe zerstören, sei neben der Sache und zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 14. April 2024 und vom 6. Juli 2024 Stellung genommen.
Dem Senat liegen die Behördenakten, die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts und die Akte des Berufungszulassungsverfahrens vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die im vorliegenden Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg
A. Die Berufung ist zulässig.
Sie wurde nach Zulassung durch den Senat fristgerecht begründet. Der Zulassungsbeschluss vom 24. April 2024 wurde den Klägern am 2. Mai 2024 zugestellt. Der Begründungsschriftsatz der Kläger ging am 29. Mai 2025 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Er enthält einen bestimmten Antrag und die Berufungsgründe. Unschädlich ist, dass in dem Berufungsschriftsatz von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3VwGO sowie von einem Beruhen der Entscheidung auf einem Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO die Rede ist. Denn aus dem Begründungsschriftsatz ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass und aus welchen Gründen die Kläger die Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts begehren. Ein solcher Fall liegt hier vor, denn der Begründungsschriftsatz beginnt mit den Worten „wird die mit Beschluss vom 24. April 2024 zugelassene Berufung … wie folgt begründet und beantragt“. Außerdem enthält der Antrag eindeutig das Ziel, den angefochtenen Bescheid des Landesbetriebs Vermögen und Bau sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe aufzuheben.
B. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn die Anfechtungsklage der Kläger ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger als Erwerber der Grundstücke nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn die Ausübung des Vorkaufsrechts hat eine unmittelbar belastende Rechtswirkung auf die Erwerbsposition des Drittkäufers, so dass dieser eine Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.2.2000 – 4 B 10.00 – BauR 2000, 1027, juris Rn. 5 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.10.2024 – 5 S 261/24 – juris Rn. 26).
II. Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist formell rechtmäßig.
a) An den Grundstücken Flst.-Nr. 1xxx und 2xxx steht dem Land nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ein Vorkaufsrecht zu, da sich die Grundstücke im Naturschutzgebiet „Pfinzquellen“ befinden. Ausübungsberechtigt ist in Baden-Württemberg nach § 53 Abs. 3 Satz 3 NatSchG der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg Betriebsleitung im Einvernehmen mit der höheren Naturschutzbehörde, die die Voraussetzungen nach § 66 BNatSchG und nach dem Landesnaturschutzgesetz zu prüfen hat. Höhere Naturschutzbehörde ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NatSchG das Regierungspräsidium. Diese formellen Anforderungen sind hier erfüllt. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau hat den angefochtenen Ausübungsbescheid erlassen, nachdem das Regierungspräsidium geprüft und festgestellt hatte, dass die materiellen Ausübungsvoraussetzungen vorliegen, und im Anschluss daran den Landesbetrieb aufgefordert hatte, das Vorkaufsrecht auszuüben.
b) Das Vorkaufsrecht wurde fristgerecht innerhalb von drei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages ausgeübt. § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 BGB sieht zwar eine Frist von zwei Monaten vor. Nach § 66 Abs. 5 BNatSchG bleiben jedoch abweichende landesrechtliche Vorschriften unberührt. Eine solche abweichende Vorschrift enthält § 53 Abs. 6 Satz 2 NatSchG, nach dem das Vorkaufsrecht innerhalb von drei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages ausgeübt werden kann. Klarstellend bestimmt § 53 Abs. 6 Satz 3 NatSchG, dass § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass § 469 Abs. 2 BGB keine Anwendung findet.
Über die Reichweite von § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG besteht zwar keine Einigkeit. Insbesondere werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob die Abweichungsbefugnis nur für abweichende landesrechtliche Vorschriften gilt, die bei Inkrafttreten des § 66 Abs. 5 BNatSchG bereits bestanden, oder auch für nach diesem Zeitpunkt in Kraft getretene oder noch zu erlassende Vorschriften (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 66 BNatSchG, EL 72 April 2014, Rn. 24; Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 66 Rn. 25; Konrad in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, NatSchR, 3. Aufl. 2013, § 66 Rn. 5 ff.). Einigkeit besteht jedoch insoweit, als abweichende landesrechtliche Vorschriften „unberührt“ bleiben, d.h. nicht nichtig geworden sind, die bei Inkrafttreten des Föderalismusreformgesetzes am 1. September 2006 bereits in Kraft waren.
Um eine solche bereits bestehende abweichende landesrechtliche Vorschrift handelt es sich bei § 53 Abs. 6 Satz 2 NatSchG, denn sie befand sich gleichlautend bereits in § 56 Abs. 7 NatSchG vom 13. Dezember 2005 (GBl. 2005 S. 745, ber. 2006, S. 319). Diese Frist sollte im Hinblick auf das unverändert gebliebene Verfahren für die Prüfung naturschutzrechtlicher Fragen und die dafür erforderliche Zeit auch unter der Geltung des Naturschutzgesetzes vom 23. Juni 2015 beibehalten werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 15/6886 S. 113 f.).
Das Schreiben der Notarin vom 9. November 2021, mit dem sie über den Abschluss des Kaufvertrages informierte, ging nach Angaben des Landratsamtes Enzkreis am 15. November 2021 dort ein. Die Drei-Monats-Frist endete somit am 15. Februar 2022. Der angefochtene Bescheid vom 20. Januar 2022 ging den Klägern am 26. Januar 2022 und damit rechtzeitig zu.
In materieller Hinsicht setzt das Vorkaufsrecht voraus, dass zum einen ein wirksamer Kaufvertrag und zum anderen die Voraussetzung des § 66 Abs. 2 BNatSchG vorliegt. Diese Anforderungen sind erfüllt.
a) Bei dem zwischen der Beigeladenen und den Klägern geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Kaufvertrag im Sinne des § 463 BGB. Das hat das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Urteil zu Recht und mit ausführlicher Begründung entschieden. Die Kläger haben dagegen auch keine Einwände erhoben. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts kann daher verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
aa) Die Kläger behaupten allerdings, der Kaufvertrag sei unwirksam, da nicht sämtliche Vertragsbestandteile beurkundet worden seien. Das ist indessen nicht der Fall.
Nach § 311b Abs. 1 BGB bedarf ein Kaufvertrag über ein Grundstück der notariellen Beurkundung. Der Formzwang gilt für alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das Veräußerungsgeschäft zusammensetzt. Somit bedürfen bei (einheitlichen) Rechtsgeschäften, die sich aus beurkundungsbedürftigen und für sich genommen nicht beurkundungsbedürftigen Teilen zusammensetzen, auch letztere der Beurkundung (BGH, Urteil vom 29.1.2021 – V ZR 139/19 – BGHZ 228, 338, juris Rn. 8). Wäre zwischen den Klägern und der Beigeladenen tatsächlich nicht nur die Zahlung des Kaufpreises, sondern zusätzlich vereinbart worden, dass die Kläger als Gegenleistung für den Erhalt der Grundstücke die Beigeladene unterstützen und im Alter pflegen, wäre der Vertrag unwirksam. An einer solchen Vereinbarung fehlt es allerdings. Das hat die Erörterung in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ergeben.
Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass die Kläger die beiden streitgegenständlichen Grundstücke seit 2008 von ihr gepachtet hätten. Sie arbeite noch selbst im Haus und im Garten. Die Kläger stünden ihr aber immer zur Seite, wenn dort Arbeiten anfielen, die sie selbst nicht mehr erledigen könne. Da sie nach einem Herzinfarkt nicht mehr Auto fahren dürfe, gingen ihr die Kläger zur Hand, wenn z.B. Mahd von ihrem ungefähr 1.200 m² großen Hausgrundstück abgefahren werden müsse. Auf dem Grundstück wachse Rasen. Außerdem habe sie Melonen gepflanzt. Weitere Grundstücke habe sie nicht. Den Einkauf erledige jemand anderes. Wenn wirklich einmal ein Notfall eintrete, könne sie sich an die Kläger wenden. Es sei nicht vereinbart worden, dass die Kläger sie betreuen und pflegen sollten, wenn es ihr in der Zukunft einmal schlecht gehen sollte. Die Aussage, dass sie sich die Pflege nicht mehr leisten könne, wenn die Grundstücke an das Land übergingen, sei nicht gefallen. Der Kaufpreis sei geringer gewesen, weil sie das Reiten habe unterstützen wollen und weil sie das angerechnet habe, was die Kläger bereits für sie erbracht hätten.
Diese Einlassungen belegen, dass die Beigeladene von den Klägern zwar im Einzelfall Hilfe bei solchen Arbeiten im Haus und im Garten erhalten hat und auch noch erhält, die sie selbst alters- und krankheitsbedingt nicht mehr verrichten kann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ständige Betreuungs- oder Pflegeleistungen, wie die Kläger behaupten, sondern um eine Art Nachbarschaftshilfe, d.h. um Tätigkeiten, die in einem Dorf aus guter nachbarschaftlicher Beziehung und im vorliegenden Fall zusätzlich aufgrund der Verbundenheit über die gepachteten Flächen übernommen werden. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger vertrat in der mündlichen Verhandlung zwar die Auffassung, der Umfang dieser Hilfe erreiche denjenigen, der im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Pflegegrad 2 oder sogar 3 erbracht werde. Das führt jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung. Es mag zwar zutreffen, dass solche Hilfsleistungen – neben den eigentlichen Pflegeleistungen – für Pflegebedürftige mit einem dieser Pflegegrade erbracht werden, falls hierzu im Einzelfall Bedarf besteht. Sie sind jedoch von den im Fall einer Pflegebedürftigkeit erforderlichen ständigen Unterstützungs- und Pflegeleistungen zu unterscheiden. Zudem setzen sie voraus, dass tatsächlich eine Pflegebedürftigkeit in diesem Ausmaß besteht. Dass dies bei der Beigeladenen der Fall ist, hat keiner der Beteiligten behauptet. Auch der Eindruck, den der Senat von der physischen und psychischen Verfassung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, liefert hierzu keinen Anhaltspunkt.
Die Unterstützung, die die Kläger der Beigeladenen in der Vergangenheit zukommen ließen, war für die Beigeladene neben der Absicht, das von den Klägern angebotene heilpädagogische Reiten zu unterstützen, ein Beweggrund, die Grundstücke unter dem Bodenrichtwert zu veräußern. Diese Beweggründe waren jedoch nicht beurkundungspflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 29.1.2021 – V ZR 139/19 – BGHZ 228, 338, juris Rn. 15). Gleiches gilt für die zukünftige Unterstützung der Beigeladenen durch die Kläger, die sie ihr nach Angaben der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung mündlich zugesagt haben. Auch insoweit handelt es sich nach den Einlassungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nicht um Pflegeleistungen im eigentlichen Sinn, sondern um die Fortführung der bisher bereits erbrachten Hilfe im Haus und im Garten. Diese Zusage stand jedoch nicht dergestalt in einem Austauschverhältnis zur Übertragung der Grundstücke, dass das eine von dem anderen im Sinne eines Synallagmas abhängig sein sollte. Die weitere Unterstützung war vielmehr ebenfalls lediglich eine nicht beurkundungspflichtige Vorstellung der Vertragsparteien. Das hat die Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ergeben. Den Einlassungen der Beigeladenen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass sie die Grundstücke nur dann an die Kläger verkaufen wollte, wenn diese sich rechtsgeschäftlich verpflichteten, sie weiterhin zu unterstützen. Eine solche Unterstützung hat zwar wohl den Vorstellungen der Beigeladenen und den Klägern entsprochen, eine rechtliche Verpflichtung sollte jedoch nicht geschaffen werden.
Die Einschätzung des Senats wird zusätzlich dadurch gestützt, dass die Notarin die Kläger und die Beigeladene im Beurkundungstermin darauf hingewiesen hat, „dass alle Vereinbarungen, auch Nebenabreden, richtig und vollständig beurkundet sein müssen, weil nicht beurkundete Vereinbarungen nichtig sind und zur Unwirksamkeit des ganzen Vertrages führen können“ (vgl. § 11 des Vertrages, 2. Spiegelstrich). Da es dem Willen der Beigeladenen entsprach, die Grundstücke gerade an die Kläger zu verkaufen und die Kläger ein gesteigertes Interesse am Erwerb gerade dieser Grundstücke hatten, weil sie in der Nähe ihrer eigenen Grundstücke liegen, hätten sie sich nicht dem Risiko ausgesetzt, die Grundstücksübertragung trotz der Belehrung wegen eines Formfehlers zu gefährden.
bb) Der Einwand der Kläger, der Beklagte würde sich unter Ausbeutung der Zwangslage und der Unerfahrenheit der Beigeladenen Vermögensvorteile gewähren lassen, sodass ein sittenwidriges Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 BGB vorliege, für das kein Vorkaufsrecht ausgeübt werden könne, greift nicht durch. Der Beklagte war nicht Partei des notariellen Vertrages, sodass er – unabhängig davon, dass es schon keinen Hinweis auf eine Zwangslage oder eine Unerfahrenheit der Beigeladenen gibt – solche Umstände nicht ausnutzen konnte. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft zwar auch dann sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, die bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vermutet wird (BGH Urteil vom 24.1.2014 – V ZR 249/12 – NJW 2014, 1652, juris Rn. 6). Auch insoweit kommt es aber nur auf die Parteien des notariellen Vertrags, d.h. die Kläger und die Beigeladene an. Von einer verwerflichen Gesinnung kann bei den Klägern indessen keine Rede sein. Auch die Höhe des Kaufpreises ändert daran nichts. Denn von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann bei Grundstücksgeschäften erst ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt (BGH, a.a.O, Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall, denn der Kaufpreis für die Grundstücke der Beigeladenen lag nur etwa ein Drittel unter dem Bodenrichtwert. Auf diesen Wert ist hier mangels Anhaltspunkten für einen davon abweichenden Verkehrswert abzustellen.
b) Die Voraussetzung des § 66 Abs. 2 BNatSchG für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt ebenfalls vor. Nach dieser Vorschrift darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im vorliegenden Fall erforderlich war. Die Ausübung hängt nicht davon ab, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, sondern es genügt, dass der Erwerb des Grundstücks durch die öffentliche Hand vorteilhafte Auswirkungen auf die in § 1 Abs. 1 BNatSchG bezeichneten und in den Folgeabsätzen konkretisierten Ziele des Schutzes der biologischen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Vielfalt, Eigenart oder Schönheit von Natur und Landschaft einschließlich ihres Erholungswertes hat. Es kommt nicht darauf an, ob die naturschutzfachlichen Ziele durch die öffentliche Hand optimal und umfassend verwirklicht werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist vielmehr schon dann aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich, wenn die Ziele des Naturschutzes auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besser oder zuverlässiger verwirklicht werden können als auf Grundstücken, die sich in Privateigentum befinden (vgl. auch NdsOVG, Beschluss vom 25.10.2023 – 4 LA 142/22 – NVwZ-RR 2024, 186, juris Rn. 6 mit weiteren Nachw. der Rspr. und Lit.).
Der Beklagte hat die Ausübung des Vorkaufsrechts in seinem Bescheid vom 20. Januar 2022 damit begründet, dass es der Naturschutzverwaltung durch den Grunderwerb und entsprechende Pflegmaßnahmen erleichtert werde, Lebensraumtypen, wie den Typ 6510 „Magere Flachland-Mähwiese“, zu entwickeln. Eine Verlustfläche dieses Lebensraumtyps befinde sich auf dem Grundstück Flst.-Nr. 2xxx. Die behördliche Überwachung und anschließende Regulierung von Eingriffen erforderten auf Privatgrundstücken einen enormen Verwaltungsaufwand, der sich durch staatlichen Grunderwerb auf effektivste und wirtschaftlichste Weise reduzieren lasse. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts werde die weitere Umsetzung naturschutzgerechter Pflegemaßnahmen im Naturschutzgebiet erleichtert und eine dauerhafte Pflege durch die Naturschutzverwaltung sichergestellt. Darüber hinaus könnten die Flächen durch die Überführung in Landeseigentum vor Intensivierung geschützt werden. Sei das Land Eigentümer der naturschutzwichtigen Grundstücke, werde es der Naturschutzverwaltung auf Dauer ermöglicht, alle erforderlichen Maßnahmen für eine ökologische Verbesserung des Schutzgebietes durchzuführen.
Die Ausführungen belegen, dass die oben genannten Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegen. Durch die beabsichtigte Verpachtung der Flächen an die Kläger ändert sich zwar nichts an den Besitzverhältnissen. Die Personen, die die Flächen nutzen, bleiben dieselben wie bisher. Die Eigentümerstellung verschafft dem Beklagten jedoch die Möglichkeit, die Ziele des Naturschutzes effektiver durchzusetzen als im Falle eines Vertragsnaturschutzes, bei dem sich der private Eigentümer gegenüber der Naturschutzverwaltung verpflichtet, auf den betroffenen Fläche bestimmte Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen. Handelt der Pächter der Fläche den Naturschutzzielen zuwider, kann der Beklagte den Pachtvertrag kündigen und ist nicht darauf angewiesen, durch ordnungsbehördliche Anordnungen naturschutzwidriges Verhalten zu unterbinden. Solche Anordnungen sind insbesondere dann mit praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden, wenn der private Eigentümer einer geschützten Fläche diese Fläche verpachtet und erst recht, wenn sie womöglich anschließend unterverpachtet wird. Dass die Kläger erklärtermaßen die Grundstücke selbst nutzen wollen und nicht beabsichtigen, sie zu verpachten, ändert nichts. Denn diese Absichten können sich jederzeit ändern, z.B. dann, wenn die Kläger aus wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen gezwungen würden, ihren Betrieb für heilpädagogisches Reiten aufzugeben.
Der Beklagte hat sein durch § 66 Abs. 2 BNatSchG eröffnetes Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Kläger fehlerfrei ausgeübt. Das hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des dortigen Sach- und Streitstandes zutreffend entschieden. Deshalb kann insoweit auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Verwaltungsgerichts verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Der Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
a) Der Beklagte hat zugesagt, mit den Klägern einen Pachtvertrag über die beiden Grundstücke abzuschließen. Diese Absicht hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt. Bei einer Verpachtung würde sich für die Kläger an der bisher bestehenden Situation nichts ändern, denn sie hatten die Grundstücke auch bisher nur gepachtet. Die Pachtbedingungen sind entgegen der Ansicht der Kläger nicht völlig unbestimmt. Im Widerspruchsbescheid teilt der Beklagte mit, dass eine Verpachtung der Grundstücke an die Kläger zu den Bedingungen möglich sei, die auch für die im Eigentum der Kläger stehenden benachbarten Grundstücke gälten. Vorgesehen sei dabei eine zweimalige Nutzung mit mindestens achtwöchiger Ruhepause zwischen den Nutzungen. Die Nutzung solle in einer Mahd oder einem relativ raschen Abweiden des Bewuchses bestehen. Des Weiteren sei eine zehnmonatige Weideruhe einzuhalten. Die tatsächliche Beweidungsdauer sei der Aufwuchsmenge anzupassen, um eine Überweidung zu vermeiden.
b) Die Kläger behaupten jedoch, mit einem unbefristeten und jederzeit kündbaren Pachtvertrag könnten sie den landwirtschaftsrechtlich geforderten Flächennachweis als Nachweis der Flächen als Dauerweideflächen nicht erbringen. Damit heben sie auf den in § 201 BGB definierten Begriff der Landwirtschaft ab. Nach dieser Vorschrift ist Landwirtschaft im Sinne des Baugesetzbuchs insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann. Zu den zum Betrieb gehörenden Flächen zählen nicht nur Flächen im Eigentum des Landwirts, sondern auch Pachtflächen, die ihm auf Dauer zur Verfügung stehen (BVerwG, Urteil vom 11.10.2012 – 4 C 9.11 – NVwZ 2013, 155, juris Rn. 10). Die Voraussetzung einer auf Dauer zur Verfügung stehenden Pachtfläche ist auch bei einer auf unbestimmte Zeit gepachteten Fläche erfüllt. Das Pachtverhältnis ist zwar nach § 594a BGB mit einer Frist von zwei Jahren kündbar. Es steht jedoch nicht von vornherein fest, dass der Landwirt die Fläche nur für einen kurzen Zeitraum nutzen kann. Vielmehr sind unbefristete Pachtverträge auf Dauer angelegt. Das gilt auch im vorliegenden Fall und hier umso mehr, als der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung könne das Pachtverhältnis „ewig“ laufen. Von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ist hier auszugehen, denn die Kläger tragen vor, dass sie die Flächen im Naturschutzgebiet, die in ihrem Eigentum stehen, seit Jahren im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidium beanstandungsfrei nutzen. Der Beklagte hat dem nicht widersprochen.
c) Die Kläger behaupten ferner, es bestehe „eine vertrauensschützende Handhabung seit 2016“, weil sie bereits zuvor vergleichbare Flächen im Naturschutzgebiet „Pfinzquellen“ erworben und mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe eine Vereinbarung über eine naturschutzkonforme Nutzung der Flächen vereinbart hätten, die seither eingehalten worden sei. Mit diesem Vortrag zeigen sie keinen Ermessensfehler auf.
Die von den Klägern behauptete „vertrauensschützende Handhabung“ gibt es nicht. Denn der Beklagte hat in jedem Vorkaufsfall erneut darüber zu entscheiden, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll oder nicht. Er ist dabei schon wegen der Unterschiedlichkeit der betroffenen Grundstücke und Sachverhalte nicht an frühere Entscheidungen gebunden. Das gilt insbesondere auch für die vorliegende Situation. Denn das Grundstück Flst.-Nr. 2xxx liegt nicht nur im Naturschutzgebiet, sondern darüber hinaus in einem FFH-Gebiet. Zusätzlich befindet sich dort eine verloren gegangene FFH-Mähwiese.
d) Der Verweis der Kläger auf § 15a BNatSchG führt nicht weiter. Die Vorschrift fordert, bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen. Um eine Inanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen handelt es sich im vorliegenden Fall nicht.
e) Die Kläger halten die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Beklagten mit anschließender Rückverpachtung an sie selbst für einen nicht gerechtfertigten enteignungsgleichen Eingriff oder eine verfassungswidrige entschädigungslose Enteignung. Beides ist schon deshalb nicht der Fall, weil sie nicht Eigentümer der Flächen sind.
f) Ihr Vortrag, mit der Ausübung des Vorkaufsrechts könnten andere, nicht offen kommunizierte rein fiskalische Nutzeffekte für das Land verbunden sein, wie z.B. der Handel mit Ökopunkten, bewegt sich im Bereich reiner Spekulation. Für die Richtigkeit ihrer Vermutung liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind den Klägern nicht aufzuerlegen, da die Beigeladene nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war und deshalb keinen Antrag stellen konnte. Sie hat daher auch kein Prozessrisiko übernommen. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss
vom 9. Juli 2025
Der Streitwert für das Verfahren wird nach § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 29.1 und 9.5.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 endgültig auf 625 Euro (25 % des Kaufpreises) festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Über den Autor
Rechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz zentral in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Seit mehr als einem Jahrzehnt veröffentlicht der Autor rechtliche Ratgeberbeiträge und vertritt Mandanten im gesamten Bundesgebiet.
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