Verhaltensbedingte Kündigung: Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen sollten

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, Verhaltensbedingte Kündigung

1. Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?

Wenn Arbeitnehmer einen Kündigungsschutz genießen, können Arbeitgeber nicht einfach grundlos eine Kündigung aussprechen. Für eine Kündigung ist vielmehr ein nachvollziehbarer Kündigungsgrund erforderlich.

Ein solcher Kündigungsgrund liegt nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer wegen eines rechtswidrigen Verhaltens gekündigt werden soll. In diesem Fall handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Wichtig: Die verhaltensbedingte Kündigung kann außerordentlich oder ordentlich erfolgen.

» Die Grundvoraussetzungen sind für ordentliche und außerordentliche Kündigungen identisch.

» Für die sachliche Wirksamkeit der Kündigung hingegen muss unbedingt danach unterschieden werden, ob eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung erklärt wurde!

2. Welche Grundvoraussetzungen hat die verhaltensbedingte Kündigung?

Die Grundvoraussetzungen sind bei allen Kündigungen identisch.

Schriftform: Erforderlich ist zum einen, dass die Kündigung schriftlich erklärt wurde. Mündlich, per Email oder SMS kann eine Kündigung nicht wirksam erklärt werden.

Anhörung des Betriebsrates: Notwendig ist weiterhin, dass der Betriebsrat über die Kündigung ordnungsgemäß angehört wurde (§ 102 BetrVG). Ohne Anhörung ist die Kündigung stets unwirksam.

» Mehr zum Anhörungsverfahren erfahren Sie im Beitrag zur Anhörung des Betriebsrates.

Genehmigung bei Sonderkündigungsschutz: Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist eine Zustimmung der zuständigen Behörde notwendig, falls der Arbeitnehmer einen Sonderkündigungsschutz genießt. Dies gilt zum Beispiel für Schwangere, Schwerbehinderte, Eltern in Elternzeit, usw.

3. Wann ist eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt?

Im Arbeitsalltag kommt es immer wieder vor, dass eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung erklärt wird.

☑ 2-Wochen-Frist

Für die außerordentliche Kündigung ist zunächst erforderlich, dass der Arbeitgeber die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB einhält. Nach dieser Vorschrift muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen erklärt werden.

Die Frist beginnt, sobald der Arbeitgeber von den maßgebenden Tatsachen (= Kündigungsgründen) Kenntnis erlangt.

☑ Rechtswidriges Verhalten & Abmahnung

Das Verhalten des Arbeitnehmers muss rechtswidrig sein. Es muss also ein schuldhafter Verstoß gegen Haupt- oder Nebenpflichten des Arbeitsvertrages vorliegen.

Daneben setzt eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung nahezu immer eine Abmahnung voraus. Die Kündigung ist also nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens zuvor abgemahnt worden ist.

Von der Rechtsprechung wird nur in wenigen Fällen anerkannt, dass eine Abmahnung verzichtbar ist. Angenommen wird dies vor allem bei schweren und nachhaltigen Vertragsverstößen und Vertrauensbrüchen (Diebstahl, Körperverletzung, usw.).

☑ Interessenabwägung

Weitere Voraussetzung ist, dass es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen. Die außerordentliche Kündigung muss also unter Abwägung aller Interessen erforderlich sein.

» Hinweis: Aus diesem Grunde erklären Arbeitgeber neben der außerordentlichen Kündigung oft “hilfsweise” die ordentliche Kündigung! Sollte nämlich die außerordentliche Kündigung unwirksam sein, kann das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung beendet werden.

Wann eine außerordentliche Kündigung wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist, hängt immer vom Einzelfall ab. In folgenden Beispielen wird von der Rechtsprechung die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung bejaht:

» Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gegenüber Kunden oder Kollegen. (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27.09.2012, Az. 15 Sa 782/12)

» Beharrliche Arbeitsverweigerung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.1996, Az. 2 AZR 357/95)

» Diebstahl und Unterschlagung gegenüber dem Arbeitgeber, Kunden oder Kollegen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.2013, Az. 5 Sa 356/13)

» Eigenmächtiges Nehmen von Urlaub (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.1994, Az. 2 AZR 521/93)

» Unbefugter Zugriff auf Emails des Arbeitgebers (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2008, Az. 5 Sa 22/08)

» Verbotener Wettbewerb bzw. Konkurrenztätigkeit (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.13.2013, Az. 5 Sa 412/13)

» Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber, Kunden oder Kollegen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 355/10)

» Wiederholte Verletzung der Pflicht zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.02.2014, Az. 3 Sa 423/13)

4. Wann ist eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt?

Die Rechtfertigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung hat andere Voraussetzungen als eine außerordentliche Kündigung. Im Einzelnen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

☑ Pflichtverletzung und Abmahnung

Erforderlich ist als erstes, dass der Arbeitnehmer schuldhaft gegen eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hat. Darüber hinaus muss die Befürchtung bestehen, dass in der Zukunft eine erneut ähnliche Pflichtverletzungen geschehen werden.

Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung setzt nahezu immer eine vorherige Abmahnung voraus. Die Kündigung ist also nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens zuvor abgemahnt worden ist.

Nur in Ausnahmefällen kann auf eine Abmahnung verzichtet werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer deutlich erklärt hat, dass er sein Verhalten nicht ändern wird.

Wichtig: Die Abmahnung muss sich auf eine vergleichbare Pflichtverletzung beziehen. Wenn durch die Abmahnung dagegen eine ganz anderes Verhalten abgemahnt wurde, kann hierauf keine Kündigung gestützt werden.

» Beispiel: Am 20. Januar und 02. Februar kommt Herr Müller zu spät zur Arbeit. Hierfür wird er vom Arbeitgeber ordnungsgemäß abgemahnt. Am 30. März beschädigt Herr Müller fahrlässig einen Drucker seines Arbeitgebers. – Die Beschädigung stellt zwar eine Pflichtverletzung dar. Allerdings darf der Arbeitgeber nicht sofort kündigen. Die vorausgehenden Abmahnungen haben sich nämlich auf eine ganz andere Pflichtverletzung bezogen!

☑ Angemessenheit und Interessenabwägung

Notwendig ist weiterhin, dass die ordentliche Kündigung angemessen ist. Ob eine Angemessenheit vorliegt, entscheidet sich durch eine umfassende Interessenabwägung.

Auf der Seite des Arbeitgebers sind zum Beispiel folgende Faktoren zu berücksichtigen:

» Gefährdung von Kollegen oder Kunden.

» Schaden am guten Ruf.

» Höhe des angerichteten Schadens.

» Störung des „Betriebsfriedens“.

» Wiederholungsgefahr.

Zugunsten des Arbeitnehmers sind dagegen insbesondere folgende Belange zu berücksichtigen:

» Alter des Arbeitnehmers.

» Geringe Wahrscheinlichkeit, einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden.

» Dauer der Betriebszugehörigkeit.

» Nur geringes Verschulden.

» Bestehen von Unterhaltspflichten.

» Bestehen einer Schwerbehinderung.

☑ Kündigungsfrist

Zu guter Letzt muss der Arbeitgeber mit seiner ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung die geltende Kündigungsfrist einhalten.

Wichtig: Ist die vom Arbeitgeber angegebene Kündigungsfrist zu kurz, so wird die Kündigung hierdurch nicht unwirksam. Vielmehr gilt automatisch die richtige Kündigungsfrist!

5. Wie können sich Arbeitnehmer gegen eine unwirksame Kündigung wehren?

Gegen eine unwirksame verhaltensbedingte Kündigung kann der Arbeitnehmer Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung.

Sehr wichtig: Für die Kündigungsschutzklage gilt eine Frist von drei Wochen (§ 4 KSchG). Die Klagefrist beginnt mit dem Zugang der Kündigung. Wird die 3-Wochen-Frist versäumt, hat die Klage keinen Erfolg!

» Jedem Arbeitnehmer ist daher dringend zu raten, möglichst schnell einen Anwalt seines Vertrauens zu kontaktieren.

Eine Abfindung kann der Arbeitnehmer nicht unmittelbar einklagen. Im Alltag läuft eine Kündigungsschutzklage allerdings meistens darauf hinaus, dass vor Gericht ein Vergleich mit einer Abfindungszahlung abgeschlosssen wird.

» Weitere Informationen zur Kündigungsschutzklage erhalten Sie im verlinkten Beitrag.

6. Besteht eine Sperrfrist beim ALG I?

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III entsteht beim Arbeitslosengeld I eine Sperrfrist, wenn sich der Arbeitnehmer „versicherungswidrig“ verhält. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten den Anlass zu einer verhaltensbedingten Kündigung gegeben hat.

Eine berechtigte verhaltensbedingte Kündigung verursacht daher in aller Regel eine Sperrfrist beim ALG I. Der Arbeitnehmer erhält also in den ersten 12 Wochen seiner Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld.

» Dabei macht es keinen Unterschied, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung erklärt wurde.

Die Sperrzeit beträgt üblicherweise 12 Wochen. Im Ausnahmefall kann sich die Sperrfrist auf 6 Wochen verkürzen, wenn eine besondere Härte vorliegt.

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Über den Autor

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht und Kündigungsschutz, FrankfurtRechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die günstige Anbindung an Autobahnen, den Schienenverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten. Das Arbeitsrecht gehört dabei zu den wichtigsten Rechtsgebieten.

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Christian D. Franz, Rechtsanwalt