Am 22. Oktober 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine wichtige Entscheidung zum kirchlichen Arbeitsrecht gefällt. In dem jetzt veröffentlichten Beschluss hat das höchste deutsche Gericht entschieden, dass ein katholisches Krankenhaus einem geschiedenen Chefarzt wegen seiner „Wiederverheiratung“ die Kündigung erklären darf (Az. 2 BvR 661/12). Das Bundesarbeitsgericht hatte zuvor noch anders entschieden.
Worum geht es in dem Beschluss?
Ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf hat einem Chefarzt gekündigt, weil dieser nach seiner Scheidung ein zweites Mal geheiratet hatte. Das Krankenhaus sah in dieser „Wiederverheiratung“ eine Illoyalität des Chefarztes und begründete hiermit die Kündigung. Nach katholischer Lehre ist die Ehe unauflöslich. Das Eingehen einer neuen Ehe gilt als schwere Sünde.
Der gekündigte Chefarzt hat gegen die Kündigung Klage vor den Arbeitsgerichten erhoben. Im September 2011 erklärte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt die Kündigung auch tatsächlich für rechtswidrig. Das BAG ging davon aus, dass das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt sei, wenn einem Arbeitnehmer wegen seiner neuen Heirat die Kündigung erklärt werde (Az. 2 AZR 543/10).
Was sagt das BVerfG?
Das BVerfG hat das Urteil des BAG aufgehoben. Nach Auffassung des Verfassungsgerichts hat das BAG die Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ausreichend berücksichtigt. Die Rechtssache wurde daher zur neuen Entscheidung an das BAG zurückverwiesen.
Welche Bedeutung hat der Beschluss?
Mit dem Beschluss bestätigt das BVerfG seine jahrzehntelange Rechtsprechung. Bei kirchlichen Arbeitgebern finden die Regeln des „normalen“ Arbeitsrechts nur eingeschränkt Anwendung. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist es dem Staat und staatlichen Gerichten untersagt, den Glauben und die Lehre einer Religionsgemeinschaft zu bewerten.
Bei Arbeitsverhältnissen mit kirchlichen Einrichtungen geht das Verfassungsgericht von einem arbeitsrechtlichen Sonderrecht aus. Die üblichen Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind „im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen“ (Randnummer 110 des Beschlusses).
Konkret bedeutet dies: Das kirchliche Recht auf Selbstbestimmung und die Religionsfreiheit kirchlicher Einrichtungen überwölben die normalen arbeitsrechtlichen Gesetze. Daher kann eine Kündigung durch eine kirchliche Einrichtung auch dann rechtmäßig sein, wenn dieselbe Kündigung durch einen nicht-kirchlichen Arbeitgeber offensichtlich rechtswidrig wäre.
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