Bewerbung & Vorstellungsgespräch: Wonach dürfen Arbeitgeber fragen?

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, Fragerecht des Arbeitgebers

1. Es besteht kein unbegrenztes Fragerecht!

Arbeitgeber stellen im Bewerbungsverfahren, in Fragebögen und im Vorstellungsgespräch eine ganze Reihe von Fragen. Die meisten dieser Fragen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass dem Bewerber heikle Fragen gestellt werden, insbesondere zum Privatleben. Hieraus entstehende Streitfälle enden dann oft vor Gericht.

Nach der Rechtsprechung haben Arbeitgeber kein unbeschränktes Fragerecht! Ob eine Frage zulässig oder unzulässig ist, entscheidet sich durch eine umfassende Abwägung zwischen der Privatsphäre des Bewerbers und dem Informationsinteresse des Arbeitgebers.

» Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.12.2000, Az. 2 AZR 380/99

2. Welche Fragen sind zulässig bzw. unzulässig?

Eine Frage ist unzulässig und damit rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber kein berechtigtes Informationsinteresse hat. Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der wichtigsten Fallgruppen.

a) Schwangerschaft

Früher war das Bundesarbeitsgericht der Auffassung, dass die Frage nach einer Schwangerschaft in gewissen Fällen zulässig sein kann. Dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof vor einigen Jahren widersprochen. Nach heutiger Rechtslage dürfen Arbeitgeber niemals nach der Schwangerschaft einer Bewerberin fragen!

» Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.02.2000, Az. C-207/98

Selbstverständlich darf der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass die Bewerberin einen negativen Schwangerschaftstest vorlegt.

b) Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft

Die Frage nach der Gewerkschaftzugehörigkeit ist in aller Regel unzulässig. Nur in Ausnahmefällen betrachtet die Rechtsprechung diese Frage als unzulässig.

» Nach der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft darf vor allem dann gefragt werden, wenn es sich beim Arbeitgeber um einen „Tendenzbetrieb“ handelt (= kirchliche Einrichtung, Caritas, Arbeitgeberverband, Gewerkschaft, usw.).

» Daneben kann ein Fragerecht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit auch dann bestehen, wenn im Unternehmen des Arbeitgebers mehrere Tarifverträge gelten. Andernfalls würde der Arbeitgeber nämlich nicht wissen, welche Regelungen Anwendung finden. (LAG Hessen, Urteil vom 07.11.2012, Az. 12 Sa 654/11)

c) Vorstrafen

Die Frage nach Vorstrafen ist weder generell zulässig noch generell rechtswidrig. Zulässig ist die Frage nach Vorstrafen immer dann, wenn dies wegen der Art des Arbeitsplatzes und der vorgesehenen Stellung des Arbeitnehmers erforderlich ist.

Zu unterscheiden ist stets nach dem jeweils zu besetzenden Arbeitsplatz und der Art der Straftat. So ist die Frage nach einem Vermögensdelikt anders zu bewerten als die Frage nach einer Verkehrsstraftat oder einem Sexualdelikt.

Beispiel: Der Arbeitgeber darf nach einer Vorstrafe wegen Vermögensdelikten fragen, wenn sich ein Bewerber um eine Stelle als Schmuckverkäufer bewirbt. Wegen der Vertrauensstellung besteht hier ein berechtigtes Informationsinteresse des Arbeitgebers.

» Dagegen darf der Arbeitgeber den Bewerber nicht allgemein nach Vorstrafen fragen. So ist nämlich etwa eine Vorstrafe wegen Trunkenheit im Verkehr für den Arbeitsplatz eines Schmuckverkäufers vollkommen irrelevant. Der Arbeitgeber hat hier also gerade kein berechtigtes Informationsinteresse.

Wichtig: Ist eine Verurteilung aus dem Bundeszentralregister getilgt (gelöscht), so muss der Bewerber diese Vorstrafe nicht angeben!

d) Laufende Ermittlungsverfahren

Immer wieder Fragen Arbeitgeber nicht nur nach bestehenden Vorstrafen, sondern auch nach laufenden Ermittlungsverfahren. Diese Frage ist höchst problematisch. Nach dem Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt jede Person als unschuldig, solange kein rechtskräftiger Schuldspruch vorliegt.

Nach der Rechtsprechung ist die Frage nach laufenden Ermittlungsverfahren dennoch nicht generell unzulässig. Der Arbeitgeber darf nach einem laufenden Ermittlungsverfahren fragen, wenn es um schwerwiegende Straftaten geht und die Straftat für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung ist.

» Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.09.2012, Az. 2 AZR 270/11

» Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2014, Az. 2 AZR 1071/12

e) Wettbewerbsverbote

Der Arbeitgeber darf den Bewerber nach einem bestehenden Wettbewerbsverbot fragen. Hieran hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse. Es besteht nämlich die Gefahr, dass der Arbeitnehmer die angebotene Tätigkeit bei einem bestehenden Wettbewerbsverbot nicht antritt oder sie frühzeitig abbrechen wird.

f) Krankheiten

Arbeitgeber dürfen den Bewerber nach Krankheiten und Erkrankungen fragen, die für die jeweilige Arbeit von Bedeutung sind. Zulässig sind also vor allem Fragen nach schwerwiegenden oder chronischen Erkrankungen, die Einfluss auf die vorgesehene Tätigkeit haben.

» Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.06.1984, Az. 2 AZR 270/83

g) Schwerbehinderung

Sehr problematisch ist die Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren. Nach alter Rechtslage wurde die Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung vom Bundesarbeitsgericht für zulässig erachtet. Wegen der umfangreichen gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers habe ein berechtigtes Informationsinteresse bestanden.

Die neue Rechtslage ist wegen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) von 2006 äußerst unklar. Eine klärende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liegt noch nicht vor.

» Das Bundesarbeitsgericht hat bislang nur entschieden, dass der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis nach einer Schwerbehinderung fragen darf, wenn es um die Vorbereitung einer Kündigung geht. (BAG, Urteil vom 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10)

Hinweis: Der Arbeitgeber darf unproblematisch danach fragen, ob der Bewerber gesundheitlich für die jeweilige Stelle geeignet ist. Dies auch dann, falls der Bewerber tatsächlich eine Schwerbehinderung haben sollte!

3. Dürfen Arbeitnehmer lügen?

Eine falsche Tatsachenbehauptung ist nicht notwendigerweise rechtswidrig, also eine arglistige Täuschung. Vielmehr haben Bewerber ein „Recht zu lügen“, falls der Arbeitgeber ihnen eine unzulässige Frage gestellt hat.

Unzulässige Fragen muss der Bewerber nicht wahrheitsgemäß beantworten. Der Arbeitgeber hat daher kein Anfechtungsrecht, falls der Bewerber tatsächlich nicht die Wahrheit sagen sollte!

» Mehr zur Anfechtung des Arbeitsvertrages erfahren Sie im verlinkten Beitrag.

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Über den Autor

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht und Bewerbungen, FrankfurtRechtsanwalt Christian D. Franz ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Franz. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und damit im Herzen Deutschlands. Durch die günstige Anbindung an Autobahnen, den Schienenverkehr und den Frankfurter Flughafen ist es der Kanzlei möglich, Mandanten im gesamten Bundesgebiet zu vertreten. Das Arbeitsrecht gehört dabei zu den wichtigsten Rechtsgebieten.

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Christian D. Franz, Rechtsanwalt